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Verderbnis

Titel: Verderbnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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Telefonnummern. »Wenn Sie wissen, was es ist, rufen Sie mich an. Ich verspreche Ihnen, Sie nicht anzubrüllen.«
    »Wie Caffery?«
    »Wie Caffery. Jetzt fahren Sie nach Hause und ruhen sich aus, ja? Machen Sie Pause.«
    Sie nahm die Karte, blieb jedoch an der Brüstung stehen. Sie wartete, bis Prody in seinem Peugeot den Parkplatz verlassen hatte. Dann starrte sie wieder hinunter zum Tunnel, magisch angezogen vom Glitzern der Wintersonne auf dem schwarzen Wasser. Als das Motorgeräusch seines Wagens verklungen war, hörte man nur noch das leise Klirren von Geschirr und Gläsern im Pub und das Krächzen der Krähen in den Bäumen.

25
    U m fünfzehn Uhr fünfzig stand Janice Costello vor einer roten Ampel und starrte grimmig hinaus auf den Regen. Alles wirkte dunkel und trostlos. Sie hasste diese Jahreszeit, und sie hasste es, im Verkehr festzustecken. Bis zu Emilys Vorschule war es nicht weit, aber Cory nahm meist den Wagen, wenn er sie dort abholte; jede Erwähnung des Treibhauseffekts löste eine Tirade über die unverschämte Aushöhlung seiner Bürgerrechte aus. An den Tagen hingegen, an denen Janice an der Reihe war, gingen sie zu Fuß, und sorgfältig schrieben sie die Minuten auf und meldeten sie Emilys Lehrerin als Teil des Wettbewerbs »Zu Fuß zur Schule«.
    Aber heute waren sie mit dem Auto gefahren, und Emily war entzückt. Janice hatte sich in der Nacht, als sie mit klopfendem Herzen neben dem traumlos schlafenden Cory im dunklen Schlafzimmer lag, einen Plan ausgeheckt. Sie würde Emily bei einer Freundin absetzen und dann Cory im Büro besuchen. Auf dem Vordersitz des Audi stand eine Tasche mit einer Thermosflasche Kaffee und einem halben Karottenkuchen zwischen zwei Papptellern. Eine der Erkenntnisse aus den Therapiesitzungen war die, dass Cory seine Frau manchmal nicht gerade als traditionelle Ehefrau empfand. Zwar stand immer das Abendessen auf dem Tisch und morgens eine Tasse Tee auf dem Nachtschrank, sie arbeitete und kümmerte sich um Emily, aber ihm fehlten doch die kleinen Besonderheiten: ein Kuchen, der auf dem Drahtgitter abkühlte, wenn er nach Hause kam; ein kleines billet doux in seiner Lunchbox, das ihn in der Mittagspause überraschte.
    »Na, das werden wir jetzt ändern, stimmt’s, Emily?«, fragte sie laut.
    »Was ändern?« Emily klapperte mit den Wimpern. »Was ändern, Mummy?«
    »Mummy nimmt etwas Schönes für Daddy mit. Um ihm zu zeigen, dass er ihr wichtig ist.«
    Die Ampel wurde grün, und Janice fuhr los. Die Straße war nass und tückisch. Sie musste jäh wieder bremsen, weil eine Schar von Kindern über einen Zebrastreifen trödelte, ohne nach rechts oder links zu sehen. Die Tasche flog vom Sitz und landete auf dem Boden.
    »Scheiße!«
    »Das sagt man nicht, Mummy.«
    »Ich weiß, mein Schatz. Entschuldige.« Sie tastete auf dem Boden vor dem Beifahrersitz nach der Tasche, um sie aufzuheben, bevor die Kinder die Straße überquert hätten und der Fahrer hinter ihr zu hupen anfinge. Cory hatte »Champagner« als Farbe für die Innenausstattung ausgesucht, obwohl es ihr Wagen war und sie ihn mit ihrem eigenen Ersparten bezahlt hatte. Irgendwie war es ihm gelungen, dabei in den meisten Punkten das letzte Wort zu behalten. Sie hätte gern einen VW Camper gehabt, nachdem sie jetzt zu Hause arbeitete, aber Cory meinte, es sehe schäbig aus, so ein Gefährt in der Einfahrt stehen zu haben. Sie hatte nachgegeben und den Audi gekauft. Und er achtete mit äußerster Strenge darauf, dass der Wagen sauber blieb. Wenn Emily auch nur mit ihren Schulschuhen über den Rücksitz krabbelte, schimpfte er gleich los, diese Familie habe keinen Respekt vor nichts, und Emily werde niemals lernen, den Wert des Geldes zu schätzen und deshalb als unnützes Mitglied der Gesellschaft enden.
    Als Janice die Tasche gefunden und auf den Sitz gestellt hatte, sickerte Kaffee heraus und lief in einem langen braunen Streifen über das cremefarbene Polster.
    » Scheiße, Scheiße, Scheiße! «
    »Mummy! Ich hab doch gesagt, das gehört sich nicht.«
    »Überall ist der verdammte Kaffee.«
    »Man flucht nicht.«
    »Daddy wird wütend sein.«
    »Nein!«, quiekte Emily. »Du darfst es ihm nicht sagen. Ich will nicht, dass Daddy böse wird.«
    Janice riss die Tasche vom Sitz und deponierte sie an der erstbesten Stelle, die ihr einfiel: auf ihrem Schoß. Heißer Kaffee tröpfelte auf ihren weißen Pullover und die beige Jeans. »Herrgott!« Sie zerrte an der Hose, die heiß und nass an ihren Beinen klebte. Der

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