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Verderbnis

Titel: Verderbnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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Umgebung, denn sie war ein Junkie. Mir kam der Gedanke: Was ist, wenn sie diesen Radius verlassen hat, aber nicht bis in eine dieser Städte gekommen ist? Was, wenn ihr auf einer der Straßen etwas zugestoßen ist? Was, wenn jemand angehalten und sie mitgenommen hat? Meilenweit weg – was weiß ich, nach Gloucestershire, Wiltshire, London. Aber daran hätten Sie natürlich gedacht. Sie haben Kontrollen durchgeführt, Sie haben zwei Wochen lang Autofahrer befragt. Aber dann dachte ich: Was ist, wenn es ein Unfall mit Fahrerflucht war? Wenn der auf einer dieser kleinen Straßen passiert ist?« Wieder dieser Finger, jetzt genau über dem Unfallort. »Da unten herrschte kaum Verkehr. Wenn da was geschehen ist, gibt’s keine Zeugen. Im Ernst, haben Sie daran gedacht? Was ist, wenn jemand sie überfahren hat, in Panik geraten ist und die Tote versteckt hat? Vielleicht sogar in seinen Wagen gepackt und dann woanders abgeladen hat?«
    Caffery nahm ihm die Karte aus der Hand und faltete sie zusammen.
    »Boss, hören Sie zu. Ich möchte ein guter Polizist sein. Das ist alles. Ich bin einfach so – was ich mache, mache ich ganz.«
    »Dann beginnen Sie damit, dass Sie lernen, Anweisungen zu befolgen und respektvoll zu sein, Prody. Das ist die letzte Warnung: Wenn Sie nicht aufhören, sich wie ein Arschloch zu benehmen, versetze ich Sie zu dem Prostituiertenmord, an dem die andern arbeiten. Sie können Ihre Tage auch unten in der City Road verbringen und da die Speeddealer vernehmen, wenn Ihnen das lieber ist.«
    Prody holte Luft und starrte auf die Karte in Cafferys Hand.
    »Ich möchte wissen, ob Ihnen das lieber ist? «
    Es blieb lange still. Zwei Männer kämpften miteinander, ohne ein Wort zu sagen oder einen Muskel zu bewegen. Dann atmete Prody aus, ließ die Schultern hängen, klappte die Akte zu. »Aber es gefällt mir nicht. Es gefällt mir ganz und gar nicht.«
    »Komisch«, sagte Caffery, »aber das hab ich eigentlich auch nicht erwartet.«

32
    Z wanzig Minuten nach Cafferys Besprechung mit Prody stand Janice Costello unangemeldet in der Tür seines Büros, in einem regennassen Mantel, mit zerzaustem Haar und gerötetem Gesicht. Sie sah aus, als wäre sie gerannt. »Ich habe den Notruf angerufen.« Sie hielt ein Blatt Papier in der rechten Hand. »Aber ich wollte es Ihnen persönlich zeigen.«
    »Kommen Sie herein.« Caffery stand auf und zog einen Stuhl heran. Myrtle auf ihrer Decke unter dem Heizkörper spitzte die Ohren und blinzelte Janice an. »Setzen Sie sich.«
    Janice trat einen Schritt näher und hielt ihm das zerknautschte Papier entgegen, ohne den Stuhl zu beachten. »Das wurde bei meiner Mutter unter der Tür durchgeschoben. Wir waren nicht da. Als wir zurückkamen, lag dieser Brief auf der Fußmatte. Danach haben wir das Haus verlassen.«
    Ihre Hand zitterte, und Caffery wusste, was für ein Brief das war und was möglicherweise drinstehen würde. Eine Woge der Übelkeit stieg langsam in ihm hoch. Eine Übelkeit, die sich nur mit Zigaretten und Glenmorangie vertreiben ließe.
    »Sie müssen uns irgendwo unterbringen, wo wir sicher sind. Wir schlafen auch auf dem Boden des Polizeireviers, wenn’s sein muss.«
    »Legen Sie das hin.« Er ging zu einem Aktenschrank, kramte eine kleine Schachtel mit Latexhandschuhen heraus und zog ein Paar davon an. »Ja, da – auf den Tisch.« Er beugte sich über das Blatt und strich es glatt. Die Tinte war stellenweise von Janices regennassen Händen verschmiert, aber er erkannte die Handschrift sofort.
    Glaubt ja nicht, dass es vorbei ist. Meine Liebesaffäre mit eurer Tochter hat gerade erst angefangen. Ich weiß, wo ihr seid – ich werde immer wissen, wo ihr seid. Fragt eure Tochter – sie weiß, dass wir zusammengehören …
    »Was machen wir jetzt?« Janice bebte am ganzen Körper. »Ist er uns gefolgt ? Bitte … was, zum Teufel, geht hier vor?«
    Caffery biss die Zähne zusammen und widerstand dem Verlangen, die Augen zu schließen. Er hatte eine Menge Energie darauf verwandt sicherzustellen, dass nichts von dieser Geschichte an die Öffentlichkeit gelangte. Und alle – von der Familienbetreuerin bis zur Presseabteilung – hatten ihm versichert, die Sache sei wasserdicht. Also wie in Gottes Namen hatte der Entführer nicht nur herausfinden können, wo sie wohnten, sondern sogar, wo ihre verdammte Mutter lebte? Caffery hatte versucht, ihm einen Schritt voraus zu sein, aber ebenso gut hätte er versuchen können, einen Blitz aufzuhalten.
    »Haben Sie

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