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Verderbnis

Titel: Verderbnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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dem Schweißbrenner holen.«
    »Das müssen Sie doch sowieso irgendwann.«
    »Hundertdreißig, oder Sie können abziehen.«
    Caffery begutachtete die Delle im Dach. Er überlegte, ob er Flea vor Prody warnen sollte. Aber er wusste nicht, was er sagen, wie er es angehen sollte. »Ich zahle Ihnen hundert für die Heckklappe«, erklärte er. »Aber wenn Sie sie abmontiert haben, möchte ich zusehen, wie Sie den Wagen in die Schrottpresse geben.«
    »Der ist noch nicht bereit für die Presse.«
    »Doch, ist er. Wenn die Klappe weg ist, ist nichts mehr da. Das Getriebe ist raus, der Scheinwerfer auf der Fahrerseite, die Sitze, die Räder, sogar die Innenverkleidung. Bauen Sie die Heckklappe aus, und der Wagen ist bereit für die Presse.«
    »Die Sicherheitsgurte.«
    »Die sind nichts Besonderes. Die will keiner. Die können Sie mir zu dem Kofferraumdeckel dazugeben, für einen Hunderter. Seien Sie nett.«
    Der TIB sah ihn mit einem durchtriebenen Blick an. »Ich weiß, wie Ihr mich insgeheim nennt. Ihr nennt mich einen TIB . Aber das ist falsch. Ich gehör vielleicht zum fahrenden Gesocks, aber ich klaue nicht – und blöd bin ich auch nicht. Wenn in meiner Welt jemand sagt, ich soll einen Wagen in die Presse geben, dann schrillen bei mir die Alarmglocken.«
    »Und in meiner Welt, wenn da jemand sich die Mühe macht, Autos auseinanderzuschneiden und die Teile in einer Halle zu lagern, ohne dass er einen Auftrag dazu hat, dann gehen erst recht die Alarmglocken los. Wieso die ordentlichen Regale da drin? Weshalb macht ihr euch die Mühe, die Teile auseinanderzuschneiden, bevor ihr wisst, dass jemand sie haben will? Und wo sind die Rohbaukarosserien? Ich weiß, was hier nachts an der Schrottpresse läuft. Ich weiß auch, wie viele Fahrzeugidentifizierungsnummern nachts zerquetscht werden.«
    » Fuck , wer sind Sie? Ich hab Sie hier schon gesehen, oder?«
    »Pressen Sie einfach den Wagen zusammen, okay?«
    Der Mann öffnete den Mund und klappte ihn wieder zu. Er schüttelte den Kopf. »Mein Gott«, sagte er, »was ist nur aus der Welt geworden?«

34
    D as Haus war ein unauffälliger kleiner Kasten auf einem verwahrlosten Grundstück. Jahrelang hatte es dem örtlichen Bobby gehört, aber jetzt konnte die Polizei nichts mehr damit anfangen, und ein verwittertes »Zu verkaufen«-Schild stand im ungepflegten Vorgarten. Heute brannte wahrscheinlich zum ersten Mal seit einer Ewigkeit wieder Licht im Haus. Sogar die Heizung war eingeschaltet; die Radiatoren im ersten Stock und das Gasfeuer im Wohnzimmer funktionierten noch. Janice hatte Wasser aufgesetzt, um Tee für alle zu kochen. Emily, die während der Fahrt geweint hatte, war mit einer heißen Schokolade und einem Geleesandwich getröstet worden. Jetzt saß sie auf dem Boden im Wohnzimmer und schaute sich CBeebies im Fernsehen an.
    Janice und ihre Mutter standen in der Tür und beobachteten sie.
    »Ihr geht’s gut«, meinte ihre Mutter. »Zwei Tage schulfrei werden ihr nicht schaden. Ich hab dich in dem Alter auch manchmal zu Hause behalten, weil du müde oder brummig warst. Sie ist erst vier.« In ihrem Fair-Isle-Pullover mit dem weiten Kragen und mit dem jungenhaft kurz geschnittenen und aus dem gebräunten Gesicht nach hinten gekämmten Haar war sie immer noch schön. Sie hatte lavendelblaue Augen und eine sehr weiche Haut, die immer nach Camay-Seife duftete.
    »Mum«, sagte Janice, »erinnerst du dich an das Haus in der Russell Road?«
    Amüsiert hob ihre Mutter eine Augenbraue. »Wenn ich mich bemühe! Wir haben ja zehn Jahre da gewohnt.«
    »Erinnerst du dich an die Vögel?«
    »Die Vögel?«
    »Du hast immer gesagt, ich soll das Fenster in meinem Zimmer nicht aufmachen. Natürlich habe ich nicht gehorcht. Ich hab immer oben gesessen und Papierschwalben hinausgeworfen.«
    »Das war nicht das letzte Mal, dass du nicht auf mich gehört hast.«
    »Na, und einmal sind wir übers Wochenende auf diesen Campingplatz in Wales gefahren. Mit der kleinen Bucht am Ende der Straße. Und ich hab mir mit Fruchtgummis den Magen verdorben. Und als wir wieder nach Hause kamen, fand ich einen Vogel in meinem Zimmer. Er muss hereingeflogen sein, als ich das Fenster offen hatte, und als wir es beim Wegfahren zumachten, haben wir ihn eingesperrt.«
    »Ich glaube, daran erinnere ich mich.«
    »Er lebte noch, aber er hatte Babys in seinem Nest draußen vor dem Fenster.«
    »O Gott, ja.« Ihre Mutter schlug eine Hand vor den Mund, halb entzückt, halb entsetzt über diese Erinnerung. »Ja,

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