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Verdi hören und sterben: Ein Roman aus Venedig und dem Veneto (German Edition)

Verdi hören und sterben: Ein Roman aus Venedig und dem Veneto (German Edition)

Titel: Verdi hören und sterben: Ein Roman aus Venedig und dem Veneto (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Böckler
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unterhalten.«
    »Ich habe überhaupt keine Zeit, nein, das müssen wir verschieben.« Rudolf fuhr sich mit gespreizten Fingern durch die verschwitzten Haare. »Sag mal, wenn du schon keine Zigaretten hast, vielleicht kannst du mir etwas Geld leihen, ein paar Scheine. Ich habe nichts bei mir, und dieser blöde Geldautomat hat vorhin meine Scheckkarte eingezogen. Nur damit ich tanken und die Autobahngebühren bezahlen kann. In München bin ich dann wieder flüssig.«
    »Ja, ich hab etwas Geld, das kann ich dir geben. Vorausgesetzt, du hast einen Moment Zeit für ein Gespräch.«
    Rudolf lächelte verkrampft. »Das kommt ja einer Erpressung gleich.«
    »Mag sein.« Mark deutete zum Eingang des Klosters. »Komm, lass uns ein wenig spazieren gehen. Der Friedhof soll sehr schön sein.«
    »Ich hasse Friedhöfe, aber einverstanden. Wir machen ein paar Schritte, und dann gibst du mir das Geld.«
    »Aber klar doch. Ist ja nicht das erste Mal.«
    Sie gingen durch das offen stehende Tor, am Kreuzgang der alten Klosterkirche vorbei, über steinerne Grabplatten hinweg zum Friedhof.
    Rudolf warf einen kurzen Blick auf die Grabsteine und fuhr sich mit dem Taschentuch über die Stirn. »Was meinst du eigentlich damit, dass das nicht das erste Mal sei. Du hast mir doch noch nie Geld gegeben?«
    »O doch, ziemlich genau acht Komma fünf Millionen Mark.«
    Rudolf blieb abrupt stehen. »Wie kommst du auf diese absurde …«
    Er hielt mitten im Satz inne und fing unversehens an zu lachen. Immer lauter wurde sein Gelächter. Dann fasste er sich wieder. »Natürlich, du hast Recht, dieses Geld also meinst du.«
    »Ja, das Lösegeld aus meiner Entführung!«
    »Hab dank, das Geld konnte ich gut gebrauchen. Hat dir unser kleines Abenteuer gefallen?«
    »Nicht unbedingt, ich kann mir eine amüsantere Abwechslung vorstellen.«
    »Tut mir Leid. Und? Was willst du jetzt machen?« Erneut begann Rudolf zu lachen. Ganz allein standen sie im Schatten hoch gewachsener Zypressen vor einer bemoosten Gedenkkapelle. »Du hast keine Beweise. Stimmt doch, oder? Keine Beweise.«
    »Nun, zumindest kann Alessandro nicht mehr gegen dich aussagen.«
    Rudolf kniff kurz die Augen zusammen. »Mark, du überraschst mich.«
    »Wirklich? Ist doch mal eine nette Abwechslung oder? Übrigens, hat es dir eigentlich Freude bereitet?«
    »Was soll mir Freude bereitet haben?«
    »Alessandro umzubringen.«
    Wieder zuckte Rudolf nervös mit den Augen. »Nein, hat es nicht. Aber dass es nötig war, hast du ja selbst gerade richtig erkannt.«
    Mark zögerte. »Genauso nötig, wie Grandma Ottilia in den Abgrund zu zerren?«
    Jetzt hatte er es gesagt. Mark ging vorsichtshalber einige Schritte rückwärts. Er war sich nicht sicher, wie Rudolf auf diesen Vorwurf reagieren würde. Aber auf ganz merkwürdige Weise schien Rudolf alle Hemmungen verloren zu haben. Ohne zu zögern, hatte er bereits die Entführung und den Mord an Alessandro zugegeben. Diese Phase musste er ausnutzen. Schade nur, dass er kein Mikrofon unter seinem Hemd versteckt hatte. In Filmen klappte das immer so schön.
    Zum ersten Mal machte Rudolf einen betroffenen Gesichtsausdruck. »Ottilia war alt, sehr alt. Ihre biologische Uhr war doch schon längst abgelaufen. Auf diese Weise ist ihr ein leidvolles Sterben erspart geblieben.«
    »Du musst krank sein, schwer verhaltensgestört. Wie kann man seine eigene Großmutter umbringen?« Mark sprach ganz leise.
    »Sie war alt, viel zu alt«, wiederholte Rudolf monoton.
    »Und du hast leise gehofft, etwas von ihrem Vermögen zu erben?«
    Rudolfs Gesicht, das soeben noch betroffen gewirkt hatte, bekam einen spöttischen Zug. »Richtig. Das wäre ja auch gerecht gewesen.« Nach einer kurzen Pause fuhr er fort: »Du denkst wohl, du kannst jetzt alles von mir in Erfahrung bringen. So eine Art Generalgeständnis oder so ähnlich. In Ordnung, einverstanden, wir sind unter uns. Einen schönen Platz hast du dir da ausgesucht. Nur die Toten sind Zeugen unseres Gesprächs. Und die können vor keinem Gericht der Welt mehr aussagen. Eine herrliche Kulisse für eine umfassende Beichte. Die vielen Grabsteine und Kreuze. Zu dumm, dass ich völlig ungläubig bin.«
    »Du glaubst nur an deine Würfel«, entgegnete Mark, »wie du es schon als Kind getan hast.«
    Rudolf schüttelte amüsiert den Kopf. »Erstaunlich, wirklich erstaunlich, was du alles von mir weißt. Zu schade, dass es dir nichts geholfen hat und auch in Zukunft nicht helfen wird. Ja, ich glaube an meine Würfel. Hier,

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