Verdi hören und sterben: Ein Roman aus Venedig und dem Veneto (German Edition)
passen einfach nicht zu seiner Persönlichkeit.«
»Kann schon sein. Ich muss zugeben, dass es auch mir schwer fällt, das zu glauben. Doch die Beweise sind wirklich erdrückend. Die Tatsache, dass er mit dieser Nutte zusammen war, die Kordeln, das Stilett mit dem Blut, die Zeitungsausschnitte. Nein, da kommt Rudolf nicht mehr raus. Jetzt ist er fällig!«
»Jedenfalls kann ich mir den morgigen Anruf bei Kommissar Wächter sparen«, sagte Mark.
Er sah auf die silberne Schatulle, die vor ihm auf der Theke lag. Kam es ihm nur so vor, oder hatten die Diamanten plötzlich an Glanz eingebüßt? Er klappte die Schatulle zu und steckte sie ein. Wie es aussah, würde Rudolf keine Verwendung mehr für seine Würfel haben. Und wenn sie tatsächlich so etwas wie kleine Götter waren, dann hatten sie ihn jetzt wohl endgültig im Stich gelassen.
63
D er Principale saß im Schaukelstuhl und pendelte gemächlich vor und zurück. Sein Gesicht machte einen ausgesprochen zufriedenen Eindruck. Die linke Hand spielte mit einem Jeton.
Alberto, der vor ihm stand, fuhr in seinem Bericht fort. Alles habe genau nach Plan geklappt. Die Polizei sei sich hundertprozentig sicher, mit Rudolf den Serienmörder verhaftet zu haben.
»Diesen Triumph werden sie sich auch nicht mehr nehmen lassen«, kommentierte der Principale. »Da wird Signor Krobat seine Unschuld noch so sehr beteuern können. Man wird ihm keinen Glauben schenken.«
»Vor allem, weil es ja auch keine weiteren Morde mehr geben wird.«
»Proprio così. Und dein Schwager bekommt ein christliches Begräbnis. Er hat es zwar nicht verdient, am Tag des Jüngsten Gerichts wird er zur Verantwortung gezogen werden. Aber für deine Familie ist es ein Segen, euch bleibt die Schande erspart.«
Alberto kniete sich hin und wollte dem Principale die Hände küssen.
»Che stai facendo? Was machst du da? Lass das sein!« Mit einer ärgerlichen Handbewegung wies der Principale Alberto zurück.
Dieser stand wieder auf und verbeugte sich. »Meine Familie und ich, wir sind Ihnen zu unendlichem Dank verpflichtet.«
»Ist ja gut.«
»Und Sie sind ein Genie.«
Der Principale lächelte. »Das ist mir zwar bekannt, aber ich bin eitel genug, das immer wieder gerne zu hören. Jedenfalls wäre auf diese raffinierte Weise auch der Mord an Alessandro gerächt.«
»Das Leben hinter Gittern wird für Rudolf Krobat kein Honigschlecken. Als Prostituiertenmörder hat er keine Freunde, weder bei den Wärtern noch bei den Mitgefangenen.«
Der Principale nickte. »Als zusätzliche Aufmerksamkeit werden wir ihm eine besondere Betreuung zuteil werden lassen. Egal, in welchem Gefängnis er landen wird, überall haben wir unsere Leute, die ihm die Hölle auf Erden bereiten werden, l’inferno sulla terra, un martirio …«
»Es wäre schön, wenn das Alessandro sehen könnte.«
»Was macht eigentlich unser Zeuge?«, fragte der Principale.
»Er wird sich morgen bei der Polizei melden und aussagen, dass er Rudolf Krobat in der Nacht des Mordes an Angelica am Rio dell’Arsenale gesehen hat, zusammen mit Angelica.«
»Eccellente, das ist zwar nicht mehr nötig, trägt aber sicherlich zur Wahrheitsfindung bei.« Der Principale kicherte vergnügt.
»Hoffentlich hat Rudolf Krobat zu keiner der in Frage kommenden Tatzeiten ein Alibi«, gab Alberto zu bedenken.
»Keine Sorge, in der Nacht, als Angelica ermordet wurde, hatte er in seinem Haus Damenbesuch. Silvana, du kennst sie vielleicht, arbeitet für uns. Sie hat eine kleine Sondervergütung bekommen und wird eine längere Urlaubsreise antreten. Für jene Nacht hat dieser Signor Krobat jedenfalls kein Alibi. Mit Antonella war er ja tatsächlich zusammen gewesen, diese Tatsache könnte man als göttliche Fügung interpretieren. Und in der Nacht, als Giuliana in ihrer Badewanne getötet wurde, war er vorher in einer Bar, zur Tatzeit aber bereits zu Hause, offenbar alleine. Ich habe das überprüfen lassen.«
»Bleibt noch die erste Leiche, jene vom Lido.«
»Esatto, da wissen wir nicht, wo Signor Krobat zur Tatzeit war. Aber hier gibt es genau vier Möglichkeiten. Erstens, er war in Venedig und hat kein Alibi, perfetto! Zweitens, er war in Venedig und hat ein Alibi, non proprio perfetto. Beh, vielleicht kann man einen möglichen Zeugen überreden, seine Aussage zu überdenken. Drittens, Signor Krobat war nicht in Venedig und hat ein hieb- und stichfestes Alibi. Allora, ich vermute, dass er trotzdem schuldig gesprochen wird, weil sich die Justiz und die
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