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Verdi hören und sterben: Ein Roman aus Venedig und dem Veneto (German Edition)

Verdi hören und sterben: Ein Roman aus Venedig und dem Veneto (German Edition)

Titel: Verdi hören und sterben: Ein Roman aus Venedig und dem Veneto (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Böckler
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Polizei ihren großartigen Erfolg von diesem kleinen Schönheitsfehler nicht vereiteln lassen.«
    »Und die vierte Möglichkeit?« Alberto sah den Principale fragend an.
    »Sollte der unwahrscheinliche Fall eintreten, dass Signor Krobat freigesprochen wird, dann wird ihm im Gefängnis kurz vor der Haftentlassung ein Unglück zustoßen, un incidente mortale. Jedenfalls wird er keine Minute mehr in Freiheit leben. Dieses Versprechen gebe ich Alessandro. Il Signore abbia misericordia di lui!«

64
    D ie spätbarocke Kirche Santa Maria della Pietà an der Riva degli Schiavoni ist für ihre Fresken von Tiepolo berühmt. Auf ihnen sind musizierende Engel zu finden, die an das 18. Jahrhundert erinnern, in dem die Kirche mit ihrem angeschlossenen Mädchenkonservatorium in der Musikwelt für Aufsehen sorgte. Wurde es doch von keinem Geringeren als Antonio Vivaldi geleitet, dem Komponisten der
Quattro stagioni
und dem größten Violinvirtuosen seiner Zeit. Prete rosso wurde der geweihte Priester von den Venezianern nach seiner Haarfarbe genannt.
    Als Laura und Mark aus dem Caffè kamen und wenig später an der Kirche Vivaldis vorbeiliefen, fiel es ihnen immer noch schwer, einen klaren Gedanken zu fassen. Wie ein Hammer hatte sie die Nachricht getroffen, dass Rudolf im dringenden Verdacht stand, der gesuchte Prostituiertenmörder zu sein.
    »Falls er unschuldig sein sollte, dies aber nicht beweisen kann, dann wäre dies eine unglaubliche Ironie des Schicksals«, sagte Mark.
    »Er würde für etwas büßen, das er nicht begangen hat«, ergänzte Laura, »und doch wäre die Strafe mehr als gerecht.«
    Sie blieben auf einer kleinen Brücke stehen und sahen hinüber zur Klosterkirche San Giorgio Maggiore.
    »Und falls er freigesprochen wird?«
    Laura schüttelte den Kopf. »Das kann ich mir nicht vorstellen. Wenn das stimmt, was wir gerade gehört haben, dann hat er keine Chance. Und dann wird er es wohl auch gewesen sein. Wie sonst kommen die Samtkordeln und das Stilett in sein Auto?«
    »Keine Ahnung.«
    Mark holte die silberne Schatulle aus der Jackentasche, klappte sie auf und legte sie vor sich auf die steinerne Balustrade der Brücke. Wortlos betrachteten sie die drei Würfel aus Elfenbein mit den eingelassenen Diamanten. Auf dem Canale di San Marco fuhr ein Vaporetto vorbei. Hinter ihnen drängten sich die Passanten. Laura und Mark nahmen von alldem nichts wahr.
    »Wahrscheinlich sind diese Würfel an allem schuld. Die kleinen Götter, wie sie Rudolf genannt hat, haben ihn zu seinen Taten angestiftet.«
    »Das konnten sie aber nur, weil ihnen Rudolf völlig hörig war«, stellte Laura richtig.
    »Trotzdem ist mir nicht wohl in ihrer Gesellschaft. Ich will sie nicht bei mir haben.«
    Laura nahm die Würfel einzeln in die Hand, sah sie sich genau an und legte sie zurück in die Schatulle.
    »Ich habe eine Idee. Lass doch die Würfel ausnahmsweise mal über ihr eigenes Schicksal entscheiden.«
    »Wie stellst du dir das vor?«, fragte Mark.
    »Ganz einfach. Wir machen das so ähnlich, wie das wahrscheinlich Rudolf getan hat. Drei Würfel haben als niedrigste Augenzahl dreimal die eins, also drei, und als höchste die achtzehn, richtig?«
    »Stimmt!«
    Laura nahm die Finger zu Hilfe und begann zu zählen. »Drei, vier, fünf …«
    »Bei zehn sind die Chancen fünfzig zu fünfzig«, stellte Mark fest.
    »Korrekt. Also, was hältst du von folgender Vorgehensweise. Wir würfeln ein einziges Mal. Ist die Augenzahl höher als zehn, dann haben sich die Würfel ihr Grab geschaufelt, und wir werfen sie umgehend möglichst weit hinaus ins Wasser.«
    »Sozusagen eine Seebestattung.« Zum ersten Mal seit Stunden war Mark ein kleines Lächeln entschlüpft. »Und bei zehn und weniger?«, fragte er.
    »Dann schicken wir sie ohne Absender zu Rudolf ins Gefängnis«, schlug Laura vor.
    »Das halte ich für keine gute Idee.«
    »Lass die Würfel entscheiden!«
    »Ich finde, was wir hier machen, ist irgendwie absurd.«
    »Sicher ist es das. Also?«
    »Okay, du würfelst!«
    Mark bildete auf der Steinbalustrade mit den Händen ein Dreieck. Laura nahm die Würfel, schüttelte sie und ließ sie vorsichtig auf die Mauer gleiten. Für einen kurzen Augenblick noch hielt sie die Würfel verdeckt. Laura und Mark sahen sich an. Dann zog sie ihre Hände weg.
    Die Diamanten funkelten herausfordernd. Mark pfiff durch die Zähne. »Dreimal die Sechs! Eindeutiger ging’s nicht.«
    Laura nickte bestätigend. »Fast könnte man glauben, dass diesen Würfeln

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