Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verdi hören und sterben: Ein Roman aus Venedig und dem Veneto (German Edition)

Verdi hören und sterben: Ein Roman aus Venedig und dem Veneto (German Edition)

Titel: Verdi hören und sterben: Ein Roman aus Venedig und dem Veneto (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Böckler
Vom Netzwerk:
guckte, Bekannten über den Weg lief, mit ihnen ein Schwätzchen hielt und schließlich irgendwo im Schatten eines Sonnenschirms einen Caffè trank. Als Mark pfeifend die Treppe herunterkam, zeigte Laura bedeutungsvoll auf den Terrakottaboden rechts und links neben der Eingangstür.
    »Ist dir eigentlich aufgefallen, dass Adamo und Eva verschwunden sind?«
    Mark runzelte die Stirn. »Stimmt, da haben zwei Figuren gestanden.«
    »Genau, und nun sind sie weg.«
    »Jetzt fällt’s mir ein, natürlich. Als ich in jener Nacht gut verpackt im Laderaum des Transporters lag, sind wir nicht sofort losgefahren. Kurz darauf ist irgendetwas Schweres verladen worden, und wenig später noch einmal. Hat sich metallisch angehört, und die Federung hat unter dem Gewicht nachgegeben.«
    »Das waren Adamo und Eva!«, stellte Laura fest.
    »Sieht ganz so aus. Da hatte ich also bei meiner Entführung zwei Schicksalsgefährten.«
     
    Einige Stunden später, als sie nach einem Bummel durch die Fußgängerzone von Bardolino und über die Uferpromenade von Lazise schließlich im Ristorante alla Grotta angelangt waren, kam Mark erneut auf die verschwundenen Skulpturen zu sprechen.
    »Waren die beiden Freunde eigentlich wertvoll?«, wollte er von Laura wissen.
    »Das ist wie immer relativ. Ich war zufällig dabei, als deine Großmutter die Bronzestatuen ersteigert hat. Das war erst vor ungefähr zwei Jahren bei einer Auktion in Verona. Die Figuren stellen wie gesagt Adamo und Eva dar und stammen aus dem frühen 19. Jahrhundert.«
    Laura unterbrach ihre Erläuterung, um bei Marco, dem schnauzbärtigen Inhaber des Laziser Fischlokals, das Essen zu bestellen. Seinen Empfehlungen folgend, entschied sich Mark für
Dadolata di filetto al tartufo con patate duchessa
, Laura dagegen wählte eine
Insalata d’astice dello chef
.
    »Und?«, griff Mark das Thema wieder auf. »Sind sie nun wertvoll oder nicht?«
    »Der Künstler, Andrea Goldano, ist ziemlich unbekannt. Er arbeitete in Padua. Deine Großmutter hatte die Statuen sofort in ihr Herz geschlossen. Und weil nicht viel geboten wurde, hat sie auch schnell den Zuschlag bekommen. Wenn ich mich recht erinnere, lag er in einer Größenordnung um fünfzig Millionen Lire, also etwa fünfzigtausend Mark.«
    Mark schüttelte irritiert den Kopf. »Dass sich meine Entführer die Mühe gemacht haben, diese beiden Figuren mitzunehmen, verstehe ich nicht. Es ging doch bei der Geschichte um einen ganz anderen Einsatz. Und das Verladen hat zusätzliche Zeit gekostet, war also ein weiterer Risikofaktor.«
    Laura nickte bestätigend. »Außerdem gibt es in dem Haus einige wertvollere Kunstschätze, die noch dazu leichter zu transportieren wären.«
    »Einige wertvollere Kunstschätze? Das höre ich gern. Du musst mal eine Führung mit mir machen.«
    »Ja«, sagte Laura. »Ich frage mich nur, wo Adamo und Eva jetzt sind.«

26
    E r rollte die Hundertdollarnote in der Längsrichtung, hielt sie kurz in die Kerze, betrachtete die züngelnden Flammen – und zündete sich mit dem Geldschein seine Zigarre an. Er wollte dies nicht zur Gewohnheit werden lassen, doch dieses Zeremoniell war nicht ohne Reiz, drückte es doch symbolhaft eine totale Missachtung des materiellen Wertes aus. Gewiss ein großspuriger Akt, aber er war ja alleine, er wollte niemandem imponieren. Er gefiel sich einfach in dieser Pose. Und er konnte sie sich leisten. Kein schlechtes Gefühl.
    Er betrachtete die elfenbeinernen Würfel, die vor ihm auf der Tischplatte lagen. Die eingelassenen Diamanten funkelten im Licht der Kerze. Fast schienen sie ihm zuzuzwinkern, als wollten sie sagen: Na, haben wir doch wieder Recht gehabt.
    Er erinnerte sich noch gut an jenen Tag, da er sein Schicksal wieder einmal in ihre Hände gelegt hatte. Als er dachte, sein letztes Stündlein habe geschlagen. Erbrechen hatte er sich müssen, heulend war er unter den Tisch gekrochen, um die todbringenden Zahlen entgegenzunehmen. Und dann der erlösende Augenblick. Die Sechs und die Fünf! Nie würde er diese Ziffern vergessen. Sie retteten ihm das Leben und beauftragten ihn, die Entführung in die Tat umzusetzen.
    Er beugte sich nach vorne und blies den Rauch seiner Zigarre über die Würfel. Richtig mystisch sahen sie so aus. Mein ganz persönliches Orakel. Voller Magie und Kraft. Meine Verbündeten auf dem Weg durchs Leben. Das Schicksal hatte es wieder einmal gut mit ihm gemeint. Alle Sorgen waren hinfällig. Er hatte hoch gepokert und alles gewonnen. Die Würfel

Weitere Kostenlose Bücher