Vereist (German Edition)
gesehen hatte. Außer ihren eigenen vielleicht.
Er konnte ihre Last noch schwerer machen. Er konnte mühelos ihr Herz zerfetzen.
Draußen hallten zwei weitere Schüsse.
Alex
. Brynn klammerte sich an den Armlehnen fest und saß kerzengerade im Sessel. Ihr Herz schlug ein Trommelsolo, ihre Lunge gefror.
Ryan sprang auf und war schon an der Tür. »Ryan! Bleib hier! Das ist ein Befehl.« Ryan erstarrte. Leicht schwankend blieb er mit dem Rücken zu Jim stehen. Eine seiner Hände lag noch immer an der Tür.
»Das war eine Pistole. Und ich glaube, der erste Schuss kam von einem Gewehr«, sagte Ryan.
Alex huschte von Baumstamm zu Baumstamm in die Richtung, aus der er annahm, den einzelnen Schuss gehört zu haben. Das bedeutete, dass er tiefer in den Wald lief und sich von den Wrackteilen entfernte. Keine weiteren Schüsse. Bis jetzt.
Aber er hatte noch etwas anderes gehört. Erst hatte er es für eine Männerstimme gehalten, aber es war zu weit entfernt, und er konnte die Worte nicht verstehen. Falls jemand sprach, dann nicht in seine Richtung. Hätte Besand gewollt, dass Alex ihn hörte, dann wäre ihm das auch gelungen. Schon dreimal hatte Alex nun seit dem einzelnen Schuss Laute von derselben Stelle gehört.
Was war dort im Wald?
Bitte kein Bär.
Immer auf das Gehirn zielen.
Er hielt die Beretta so fest, dass seine Hand taub wurde. Alex hauchte seine Finger an, bewegte sie und tat alles, damit sie nicht einfach einfroren. Verzögerte Reflexe konnte er sich jetzt nicht leisten. Aber wenigstens hatte Besand dasselbe Problem wie er. Er würde alles andere als treffsicher sein.
Hatte da gerade jemand gerufen?
Alex blinzelte, lauschte angestrengt und stand dann ganz still. Irgendwo dort draußen war ein heftiger Streit im Gange. Das war nicht Thomas’ Stimme und nicht die von Besand. Wie Besand sich anhörte, wusste er. Die Stimme des Killers verfolgte ihn im Schlaf und oft auch, wenn er wach war. Die vielen Stunden, die er mit dem Dreckskerl in engen Befragungsräumen verbracht und bei denen er sich angehört hatte, welche entsetzlichen Qualen er seinen Opfern zugefügt hatte, hatten Besands Stimme in Alex’ Gedächtnis geätzt. Für immer.
Wer ist dort draußen?
Die zweite Stimme schrie zurück. Eindeutig zwei Männer.
Alex verstand nun gar nichts mehr. Jäger? Bei diesem Wetter? Wohl eher ein Suchtrupp. Seine Anspannung ließ ein wenig nach. Bis ihm einfiel, dass gerade jemand auf ihn geschossen hatte.
Kein Mensch konnte seine Jacke in der Farbe der New York Giants mit einem Bärenpelz verwechseln.
Man hatte absichtlich auf ihn geschossen.
Wer will sonst noch, dass ich sterbe?
Schlagartig fiel es ihm ein. In Sekundenschnelle rutschten sämtliche Puzzleteile in seinem Gehirn an ihren Platz. Ihm knicktenfast die Beine weg. Es gab nur eine Person, die die Möglichkeit und ein Motiv hatte, Männer hinter ihm her ins Gebirge zu schicken, die ihn erschießen sollten.
Paul Whittenhall.
Alex beugte sich vornüber, stützte die Hände auf die Oberschenkel und schnappte nach Luft. Sein Exboss trachtete ihm nach dem Leben. Das wusste Alex jetzt genauso sicher, wie seine Nase von der Kälte so rot war wie von Rudolf dem Rentier. Mit den Nachforschungen über Whittenhall hatte Alex offenbar in ein Wespennest gestochen. Whittenhall hatte etwas zu verbergen.
Aber warum jetzt? Warum mitten in einem Schneesturm? Weshalb hat er mich nicht zu Hause vor dem Fernseher umlegen lassen?
Besand.
Whittenhall hatte Angst, er könnte Besand finden.
Aber Alex traf sich seit Monaten immer wieder mit dem Killer. Was war hier im Schnee in den Bergen plötzlich anders?
Eine der Stimmen wurde lauter, schrie Befehle. Alex’ Herz setzte einen Schlag lang aus, dann bewegten seine Füße sich plötzlich wie von selbst. Unbeholfen joggte er in den Schneeschuhen zwischen den Bäumen hindurch und spürte, wie seine Lunge um mehr Sauerstoff flehte. Er wusste zwar nicht, auf welcher Höhe er sich befand, aber seine Lunge spürte den Unterschied. Auch dass er in einer Lawine herumgewirbelt worden war, konnte ein Grund für seinen etwas lädierten Zustand sein.
Plötzlich stand er am Rand einer kleinen Lichtung und sah zwei Männer im tiefen Schnee miteinander ringen. Zwei Rucksäcke lagen auf dem Boden, der Kolben eines Scharfschützengewehrs ragte aus dem Schnee. Alex erkannte beide Männer sofort. Whittenhalls rechte Hand, Gary Stewart, wehrte die Schläge von Matt Boyles ab. Stewart lag auf dem Rücken, Boyles saß rittlings auf
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