Vereist (German Edition)
getötet?
Tief in ihrem Inneren wusste sie, dass die Antwort Ja lautete.
Das verrieten die Schatten in seinen Augen. Das Wissen, einem Menschen das Leben genommen zu haben und die emotionalen Qualen, die damit verbunden waren, hatten Spuren hinterlassen. Er kannte die Hölle genau, durch die er gehen würde, wenn er Besand tötete. Aber er würde es trotzdem tun. Brynn rieb sich die Oberarme und fing an, im Mittelgang auf und ab zu gehen.
Verdammt, Alex. Bist du okay?
Sie hörte, wie Tyrone sich bewegte und etwas murmelte und wandte sich um, um nach ihm zu sehen. Aber Liam kümmerte sich bereits um ihn. Er redete beruhigend auf seinen Bruder ein. Jim ging zu den beiden Männern. Seit Tyrone und Liam im Flugzeug waren, fühlte Jim sich auch für sie zuständig und verantwortlich.
Tyrones Kopfverletzung konnte Brynn nicht behandeln. Er hatte höllische Schmerzen. Berührungen oder laute Geräusche hielt er kaum aus. Er brauchte einen Spezialisten und eine Computer-tomografie. Brynn fuhr sich durchs Haar und stöhnte über ihre Hilflosigkeit. Sie konnte ihm nur Ibuprofen geben, und selbst das ging langsam aus.
Liam hatte überall Schrammen und Blutergüsse, wollte sich aber nicht von ihr untersuchen lassen.
Wenn sie es ihm anbot, fauchte er jedes Mal: »Mir fehlt nichts. Das weißt du. Du brauchst nicht extra nachzusehen.« Dann setzte er sich wieder zu seinem Bruder.
Also ließ sie ihn in Ruhe.
Liam hatte Alex vom ersten Moment an gehasst. Es war fast, als hätte Alex sie mit einer Duftmarke versehen, und Liam könnte es riechen.
Brynn schnaubte. Die beiden Männer waren wie Hunde. Sie umkreisten einander wie Alphatiere, und keiner war bereit, sich zurückzuziehen.
Sie musste Klartext mit Liam reden. Anscheinend war die Tatsache, dass sie ihn vor die Tür gesetzt hatte, nicht genug. Er glaubte, sie würde ihm immer noch gehören. Aber ein Flugzeugwrack in einem Schneesturm, in dem sich sieben Leute drängten, war nicht der richtige Ort, um mit jemandem Schluss zu machen. Noch einmal Schluss zu machen.
Dabei wusste Liam im Grunde genommen, was Sache war. Er wollte es nur nicht wahrhaben. Dass er ein paar Monate auf der Couch hatte schlafen müssen, war eigentlich eine klare Botschaft. Und dass sie sich weigerte, ein Hochzeitsdatum festzulegen oder Ringe auszutauschen sicher ebenfalls.
Oder war er wirklich so schwer von Begriff?
Nein. Er tat einfach, als hätte sie nie etwas gesagt, ignorierte ihre Gefühle. Vielleicht glaubte er, sie würde es sich anders überlegen, wenn er sie nicht unter Druck setzte.
Sie ließ sich in einem der Sessel nieder und lehnte den Kopf an. Warten, immer nur warten. Seit zwei Tagen tat sie nichts anderes. Dass Ryan das Flugzeug entdeckt hatte, war fast achtundvierzig Stunden her. Und vor vierundzwanzig Stunden hatten Jim und Thomas sich auf den Rückweg gemacht.
Zweiundsiebzig Stunden, seit Alex in ihr Leben getreten, ihr den Kopf verdreht hatte.
Geht es Alex gut?
Sie kämpfte gegen den Drang an, aus der Tür zu stürzen und draußen nach ihm zu suchen. Jim saß, den Kopf in den Händen, auf dem Boden bei Tyrone. Wenn sie schon so gestresst war, wie musste es dann erst Jim ergehen? Angestrengt lauschte sie auf Geräusche draußen vor dem Flugzeug. Aber heute war der Wald ganz still. Kein Wind, keine Eiskörner. Nur weiche, wattige Schneeflocken.
An ihren Gefühlen gegenüber Liam war nicht Alex schuld. Sie hatten sich lang, bevor sie Alex kennengelernt hatte, aufgelöst. Aber Brynn war überrascht und ein bisschen verlegen, weil der andere Mann sie so unwiderstehlich anzog und weil sie so unfassbar schnell auf ihn reagierte. Wenn sie an seine grauen Augen dachte, schwappte eine heiße Welle über sie hinweg.
Wie lang war es her, seit sie einen Mann so sehr gewollt hatte? Aber es war mehr als nur Lust oder der Reiz des Neuen. Sie wollte alles Mögliche mit ihm tun. Ganz normale Dinge. An ihn gekuschelt auf dem Sofa sitzen und fernsehen. Gemeinsam Blumen in den Garten pflanzen und bei Starbucks Kaffee trinken. Sie wollte wissen, wie er seinen Kaffee mochte. Schwarz? Mit Milch und Zucker? Sie tippte auf schwarz. Alex war ein geradliniger Typ, der für Schnickschnack nicht viel übrig hatte. Ihre Augen wurden feucht, und sie wischte sich unwirsch über die Wangen.
Aber wie kaputt war Alex in seinem Inneren? Vielleicht reagierte nur die Krankenschwester in ihr auf jemanden, der Schmerzen litt. Und Alex schleppte die größten emotionalen Qualen mit sich herum, die sie je
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