Vereist (German Edition)
ihren leicht geöffneten Lippen über seine Haut. Brynns Wimpern ruhten auf ihren Wangen. Ihre Augen zuckten schwach unter den Lidern.
Vor ein paar Stunden hätte er sie beinahe geküsst. Ihre Berührung hatte ihn getroffen wie ein elektrischer Schlag. Er hatte nicht gelogen. Das Gefühl war seinen Oberschenkel entlang direkt zwischen seine Beine gejagt und hatte ihn dann in die Brust getroffen. Und dabei hatte sie nur sanft die Finger auf sein Bein gelegt.
Das goldene Licht des winzigen Campingkochers, Brynn, die ganz nahe neben ihm kniete und die innere Aufruhr, in der er sichbefand – er hatte sie so gern anfassen wollen. Die kleine Kocherflamme hatte ihren Teint bronzefarben schimmern lassen. Ihre Pupillen hatten sich geweitet. Alex hatte geglaubt, explodieren zu müssen, wenn er sie nicht anfassen konnte und war verdammt sicher, dass sie das auch gespürt hatte. Er hatte ihr erzählen wollen, wie sie in seinem Schneegrab mit ihm gesprochen hatte. Aber dann waren Jim und Thomas hereingepoltert und hatten den magischen Moment zerstört. Ein weiterer hatte sich bislang nicht ergeben.
Alex strich vorsichtig über Brynns Wangenknochen. Er wollte auch die dichten Wimpern und die weichen Lippen berühren. Aber er hatte Angst, Brynn damit wachzukitzeln. Er wollte nicht noch einen verlorenen Moment. Vorsichtig ließ er eine Haarsträhne, die sich aus ihrem Pferdeschwanz gelöst hatte, durch zwei Finger gleiten. Seidig, genau wie er es sich vorgestellt hatte.
Was tue ich da eigentlich?
Er kniff die Augen zu.
Sie lebte mit ihrem Freund zusammen. Aber sie war gestern Abend nicht zurückgewichen. Als er versucht hatte, sie zu berühren, hatte er die Verwirrung in ihren Augen gesehen … aber noch etwas anderes. Keine Ablehnung. Wärme.
Er wollte sie. So sehr, dass es wehtat.
Vielleicht war das nur eine Überreaktion, weil er dem Tod so nahe gewesen war. Jetzt suchte er nach einer Bestätigung, dass er sich noch im Diesseits befand, wollte sich mithilfe einer Frau beweisen, dass er noch lebte. Und Brynn war schlichtweg das einzige greifbare weibliche Wesen. Dass sie ihm in seinem Todestraum erschienen war, hatte gar nichts zu bedeuten. Nur weil er in seinen Träumen irgendetwas empfand, bedeutete das noch lange nicht, dass es im richtigen Leben auch so war.
Er warf erneut einen Blick auf ihr Gesicht und spürte, wie sein Herzschlag sich beschleunigte.
Wem will ich eigentlich etwas vormachen?
Innerhalb von achtundvierzig Stunden hatte er sich bis über beide Ohren in Brynn verliebt. Sie war klug und stark und zupackend – so voller Leben. Und sie hatte einen Teil von ihm berührt,der sich lange wie tot angefühlt hatte. Sie holte ihn Schritt für Schritt ins Leben zurück. Es war wie in dem Werbespot für ein Allergiemittel, in dem die ganze Welt verschwommen aussah, bis der Allergiker eine Pille einnahm und alles plötzlich kristallklar erschien. Brynn hatte ihn wachgerüttelt, aus seiner Erstarrung gerissen. Kein Wunder, dass er ihr verfallen war.
Verdammt. Seit Ewigkeiten interessierte er sich zum ersten Mal wieder für eine Frau, und sie war nicht frei.
Oder vielleicht doch? Sie hatte ihren Freund nicht ein einziges Mal erwähnt, während die meisten anderen Frauen kaum einen Satz zu Ende brachten, ohne dass ihr Typ darin vorkam. Sie hatte nie gesagt, sie könnte es kaum erwarten, endlich nach Hause zu kommen, hatte nicht darüber geredet, was sie beide dann planten, nicht gesagt, sie hoffe, dass ihr Freund sich keine Sorgen um sie mache. Wenn Alex’ Freundin hier draußen in dieser Eishölle gewesen wäre, hätte er sicher Angst um sie gehabt. Eigentlich hatten nur Ryan und Jim Brynns Freund erwähnt. Mit einem seltsamen Unterton. Wie hieß er doch gleich? Liam?
Liam
. Alex formte den Namen stumm mit den Lippen. Er fühlte sich seltsam an. Fremd.
Sein Kiefer spannte sich an. Womöglich war auch der Altersunterschied zwischen ihm und Brynn ein Problem.
Aber nur für sie. Sie war sicher noch keine dreißig, und er hatte die Vierzigermarke schon vor ein paar Jahren geknackt. Ihn störte das nicht. Aber sie sah vielleicht eine Art … Vaterfigur in ihm. Der Gedanke gab ihm einen Stich. Brynn schaute Jim auf diese Weise an. Die beiden waren Freunde und kümmerten sich umeinander, aber Brynn behandelte Jim auch mit der Sorte Respekt, die man Älteren entgegenbringt.
Sah sie Alex auch so?
Ryan hustete, suchte sich eine bequemere Sitzposition und schnarchte dann weiter. Alex musterte den schlafenden Mann. War
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