Vereist (German Edition)
zum anderen, doch alle starrten zu Boden, während Brynn versuchte, wieder einen normalen Atemrhythmus zu finden.
»Habe ich irgendwas verpasst?«, fragte Alex.
Mit einem Herz wie ein Metallklumpen drehte Brynn sich zu ihm. Aus seinen Augen sprachen Neugier und Besorgnis.
Jim fing sich zuerst. »Hinter Brynn war im letzten Jahr ein Stalker her. Und dieser Dödel hier macht manchmal den Mund auf, ohne vorher sein Hirn einzuschalten.« Er zog Ryan seinen Handschuh über den Kopf.
»Ein Stalker?« Aus der Besorgnis in Alex’ Blick wurde Unbehagen. Er sah Brynn stirnrunzelnd an.
Brynn wunderte sich, dass sie ihm davon erzählen wollte. Sie hatte seit Monaten nicht über den Vorfall gesprochen, weil er ihr damals wirklich Angst gemacht hatte.
»Vor einer Weile …«
»Du musst jetzt nichts sagen.« Alex warf sich drei Ibuprofen in den Mund und schluckte sie trocken hinunter. »Vergiss es.«
»Nein. Es macht mir nichts aus, darüber zu reden. Wirklich.« Das war tatsächlich so. Brynn atmete tief durch, lehnte sich in einem der Polstersessel zurück und überlegte, wie sie anfangen sollte.
»Letztes Jahr hatte ich einen Fall mit einem toten Teenager. Die Todesumstände waren ungewöhnlich, aber es handelte sich ganz eindeutig um Selbstmord. Der Junge hatte sich in seinem Zimmer eingeschlossen, einen langen Abschiedsbrief geschrieben und sich in den Mund geschossen. Er hatte bereits zwei Selbstmordversuche hinter sich. Er war wegen Depressionen in Behandlung und es gab keinerlei Hinweise, dass jemand bei ihm im Zimmer gewesen sein könnte.«
»Fenster?« Alex hörte aufmerksam zu. Sein Blick war hellwach.
»Viel zu weit oben. Und die Tür war von innen fest verriegelt. Seine Mutter hörte den Schuss und war sofort an der Tür. Da konnte sonst niemand rein oder raus.«
»Und das Problem?« Alex hob eine Augenbraue.
»Das Problem war sein Vater. Er lebt in Tennessee und war der Meinung, sein Sohn sei ermordet worden«, erklärte Brynn.
»Verdammter Idiot«, schimpfte Thomas und biss in einen Energieriegel.
»Und der Vater hat dich dann belästigt?« Auf Alex’ Stirn erschienen Falten. »Von Tennessee aus?«
Brynn nickte. Inzwischen konnte sie wieder normal atmen. Der Vater war ein gigantischer Kerl gewesen. Gigantisch und zu allem entschlossen. Er hatte ihr eine Heidenangst eingejagt.
»Eine Woche lang hat er ständig angerufen. Er hat geflucht, mich beschimpft, mich unflätig beleidigt und gemeint, er würde dafür sorgen, dass ich meine Zulassung verliere. Schließlich drohte er, mich zu erschießen, weil er sehen wollte, ob dann irgendein Trottel von Ermittler ebenfalls an einen Selbstmord glaubte. Der Gerichtsmediziner und ich waren uns einig, dass in diesem Fall keine Autopsie nötig war, und der Vater war darüber unglaublich wütend. Er wollte nicht akzeptieren, dass sein Sohn Selbstmord begangen hatte. Der Mann hatte meine Handynummer und rief immer wieder an.«
Alex’ Augenbrauen zogen sich zusammen. Er wirkte gereizt. »Wie ist er an die Nummer gekommen?«
»Keine Ahnung.« Brynn hatte den Verdacht, dass jemand im gerichtsmedizinischen Institut sie herausgerückt hatte. Aber keiner gab es zu. »Eines Tages stand er plötzlich in meinem Büro. Er war extra nach Oregon geflogen, nur um mich persönlich anschreien zu können. Ich bin selten im Büro. Meist arbeite ich draußen vor Ort an einem Fall. Die Sekretärin sagte ihm das, und er ging wieder. Mein Boss rief mich zu Hause an, um mich zu warnen, und ich bat Jim, seinen Streifenwagen in meiner Einfahrt zu parken und auf meiner Couch zu schlafen.«
»Liam war gerade bei einem Einsatz«, fügte Jim hinzu.
»Ist er zu dir nach Hause gekommen?« Alex’ Stimme klang gepresst. Er sah aus, als wollte er den Mann aus Tennessee am liebsten eigenhändig erwürgen. Brynn versuchte, ein Lächeln zu unterdrücken.
»Nein. Ich glaube, wo ich wohne, hat er nicht herausbekommen.«
»Wenn ihm jemand deine Festnetznummer gegeben hätte, hätte er dich leicht finden können.«
Brynn nickte. Ein beunruhigender Gedanke. »Eine Woche nach dem Tod des Jungen konnte ich den Gerichtsmediziner überreden, eine Teilautopsie zu machen. Alles, was er dabei feststellte, deutete auf einen Selbstmord hin. Der Vater flog zurück nach Tennessee, und ich besorgte mir eine neue Handynummer.« Außerdem hatte sie dafür gesorgt, dass ihre Festnetznummer nirgends im Institut aufgeschrieben oder gespeichert war, außer direkt in der Kontaktliste ihres Chefs.
»Ich habe mir
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