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Vereister Sommer

Vereister Sommer

Titel: Vereister Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Schacht
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Anfang März 1976:
     
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Lieber Ulli!
     
    Zu Deinem Geburtstag laß Dir alles, alles Gute wünschen, vor allem Gottes Segen und daß Du weiterhin so stark bleiben mögest. Wir denken sehr viel an Dich, am 9. 3. ganz besonders. Da werden wir zusammensitzen, Dein Geburtstagslicht anzünden und in Gedanken ganz nah bei Dir sein. Sowie ich wieder in die Stadt gehe, werden wir auch Dein Geschenk zusammen kaufen – Bücher, klar, nicht. Oder sollen wir lieber warten, ob Du im kommenden Brief spezielle Wünsche hast? Schreib ruhig, wenn Du neue Bücher weißt, wir kaufen sie gerne. So, aber nun habe für Deine lieben Zeilen erst einmal ganz, ganz herzlichen Dank. Ich habe mich sehr gefreut, als mich Dein erster Brief im Krankenhaus erreichte. Den zweiten erhielt ich dann ja schon zu Hause. Wie schön, daß ich auch wieder schreiben kann, davon wußten wir ja bislang nichts. Heute haben wir nun von Georghe Abschied genommen. Ich hatte morgens noch schnell einen kleinen Kuchen gebacken. Da staunst Du, was ich schon mache. Es war der erste nach der OP. Ich stehe jetzt vormittags und nachmittags schon auf. Daß ich auch schon kleine Spaziergänge mache, sagte Mutti wohl schon. Ja, so langsam muß es ja wieder vorwärts gehen. Nun ist es schon einen Tag weiter. Das Schreiben strengt doch an, und so schreibe ich in Etappen. Bernd wirbelt nur so durch die Wohnung, alles macht er toll, Wäsche usw. Die zwei Wochen, die ich nun schon zu Hause bin, vergingen wie im Fluge. Ab Montag müßte Bernd nun wieder arbeiten, sein Urlaub ist beendet. Aber noch schaffe ich es alleine nicht. So wird er sich wohl krankschreiben lassen müssen, zur Pflege der Frau, so etwas gibt es ja. Du schriebst mir da von einem tschechischen Film. Leider waren wir jetzt lange, lange nicht im Kino. Diese und letzte Woche spielte auch so ein klasse polnischer Film: »Sintflut«. Bernd hätte ihn sich gerne angesehen, aber er wollte mich abends nicht alleine lassen. Und soweit bin ich ja nicht, daß ich hätte mitkönnen. Bei Büchern bin ich zur Zeit (lache nur nicht) bei Kinderbüchern gelandet. Alles andere ist mir noch nicht das
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richtige und habe auch noch kein richtiges Verlangen danach. Aber auch in Kinderbüchern liegt oft viel Wahrheit und Weisheit, die man als Kind gar nicht so erfaßt. Wenn Mutti Dein Buch findet, hätte ich gerne noch mal den »Wundermantel« gelesen. Du erinnerst Dich doch sicherlich an dieses Buch. Mutti liebte es ja schon von Anfang an. Auch an die deutschen Sagen erinnere ich mich gut, man las sie voller Spannung. Kennst Du noch »Jan Bibijan«? Du mußt auch denken, zwischen all meinen »gelehrten« Büchern fängt Dorli jetzt mit solchen an! Aber ich denke, daß Du Dich auch gerne an diese erinnerst, ja? Zur Zeit sind ja die Weltmeisterschaften im Eiskunstlauf. Aber Fernsehen strengt mich noch sehr an und ich habe dazu noch nicht die richtige Initiative. Meine Schrift ist auch noch unter aller Würde, hoffentlich kannst Du alles entziffern. Hat Mutti Dir im letzten Brief geschrieben, daß Friedhelm einen Enrico hat? Wenn ja, dann machts auch nichts. Sonst gibt’s keine Neuigkeiten. Was ich mir auch ansehe, ist ein wunderschöner Bildband von der Prager Burg. Es war das einzige Exemplar, und der junge Krämer-Pusch hob ihn mir kurz vor Weihnachten auf. Somit hatte ich für Bernd ein schönes Geschenk. Er ist ganz wunderschön, alles in Farbe. Wo wir doch schon so oft dort waren, ist er ganz besonders wertvoll. Wo ich gerade das »tschechische Thema« habe. Dana und Jirban lassen auch nichts von sich hören. Wir schickten zu Weihnachten noch Kleinigkeiten und auch hinterher noch Post, aber erhielten bisher leider keine Antwort. Wer weiß, was dort ist. Ich sehe gerade zu unseren Schallplatten hin. Na, der Stapel hat sich beträchtlich erhöht. Letzte Woche brachte Bernd noch »Macht des Schicksals« mit. Letztes Jahr brachten wir aus der CSSR Mozarts »Klavierkonzert Nr. 21« mit. Du erinnerst Dich an den poetischen Film »Elvira Madigan«? Wir mögen diese Platte sehr, sehr gerne. Gleich als ich aus dem Krankenhaus kam, hörten wir sie uns zusammen an. Na, diese Zeit wird für Dich und uns auch wiederkommen, wo wir gemeinsam diese Schönheiten erleben werden. Halte auch Du nur geduldig stille, es wird alles zum Guten werden. Als ich so krank war, sagte ich mir immer, unser
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Weg ist vorgezeigt und wir brauchen ihn nur vertrauensvoll zu gehen. Alles, aber alles liegt in seinen Händen, und keinem wird mehr

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