Vereister Sommer
Ausgangspunkt. Und dann hatte man mir gesagt, man möchte doch mal wissen, wie ich heute dazu stehe. Und das war der Anlass, dass der Kollege Ibendorf mit Ihnen oder einem Verantwortlichen von Ihrem Fernsehteam sprechen sollte, und in dem Zusammenhang hab ich diesen kleinen Zettel nur fertig gemacht, und dann sage ich, das sind meine Gedanken, die ich heute habe. Das sind meine, die also nicht etwa zur Übergabe an Sie oder zur Übergabe an diesen Herrn vom Fernsehen gedacht waren, sondern das waren die Gedanken, die er vorlesen sollte. Ich hatte sie vorher mit ihm besprochen, damit sie nicht untergehen, ja? So hat sich das also zugetragen. Herr Schacht, ich würde Sie herzlich bitten, wenn Sie meine Entschuldigung, meine ganz tiefe Entschuldigung, aus tiefstem Herzen und Überzeugung, entgegennehmen würden. Wie Sie das werten, das ist ja Ihre Sache, aber es kommt aus meinem tiefsten Herzen, wissen Sie, und ich habe mich in der letzten Zeit auch sehr gebildet. Ich habe auf diesem Zettel ja auch noch geschrieben, dass ich mit großem Interesse, nein, nicht bloß mit Interesse, sondern ein Jurist liest ja anders wie ein normaler Bürger, dieses Buch »Der vormundschaftliche Staat« …
Schacht:
Kenn ich.
Passon:
Sehen Sie, dieser Mann, dieser Rechtsanwalt, war ja auch bis vergangenes Jahr Vorsitzender des Rechtsanwaltskollegs, hat sogar die Parteihochschule besucht. Nun könnten Sie mir sagen, ich bin ein Wendehals, das könnten Sie! Man
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kann, ich möcht’s, ich sage, ich bin kein Wendehals. Ich habe in den letzten Jahren, insbesondere in der letzten Zeit, viele neue Einsichten gewonnen, die mir Zusammenhänge klargemacht haben, dass ich sage und bedaure, wie konnte ich einem solchen Staat, insbesondere einer solchen Partei dienen? Ich war auch Mitglied der Partei, obwohl ich, wie gesagt, streng katholisch erzogen war. Aber das sind andere Ursachen. Ich bin in der Kriegsgefangenschaft gewesen, bis 1949. Wenn Sie das interessiert. Vielleicht als Schriftsteller so’n bisschen, in einer Kriegsgefangenschaft, die bitter war, so muss ich sagen. Ich hab auch gesehen, wie die Menschen dort hingerafft worden sind …
Schacht:
Warum machen einen solche Erfahrungen am eigenen Leibe, negative Erfahrungen, warum machen die einen eigentlich nicht menschlicher?
Passon:
Ja.
Schacht:
Warum sind Sie nicht in der Lage gewesen, gerade aus der Erfahrung mit dem Dritten Reich eine Schlussfolgerung zu ziehen, sozusagen für wirklich gerechtere Verhältnisse einzutreten?
Passon:
Ja.
Schacht:
Das Christliche ist doch bestimmt eine Grundlage dafür. Heute überleben Sie damit, sagen Sie.
Passon:
Ja, jawohl.
Schacht:
Aber warum geht das auf einmal?
Passon:
Ja.
Schacht:
Warum rutschte das damals wieder ab?
Passon:
Ja. Ob es überzeugt, ist eine andere Frage … Sie haben sich rechtzeitig mit diesen Fragen beschäftigt, nicht wahr, und sind zu Ihren Einsichten gekommen. Zu Ihren Einsichten, die Sie zum Handeln gebracht haben.
Schacht:
Und dann kam ich vor Gericht.
Passon:
Das ist ja ganz logisch.
Schacht:
Und dann kam ich zum Staatssicherheitsdienst, und dann kam ich vor Gericht, und dann haben wir uns getroffen.
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Ja.
Schacht:
Sehen Sie. Und nun sitzen wir heute hier und unterhalten uns über diese Geschichte, die wahrscheinlich nie gelöst werden kann.
Passon:
Ich bin mir darüber natürlich im Klaren, man kann die Geschichte nicht zurückdrehen.
Schacht:
Erstens.
Passon:
Nicht wahr? Also das kann man nicht, das ist unausweichlich. Was man machen kann, ist die Frage: Was kann man tun? Ich kann Ihnen nur eins sagen: Ich habe das bitter, bitter bereut. Aus meiner kirchlichen Einstellung heraus, ich will Ihnen ja hier keine Beichte … Sie sind ja nicht mein Beichtvater.
Schacht:
Ich hab zwar mal Theologie studiert …
Passon:
Ja, nur ich …
Schacht:
Aber wissen Sie, das Bedauern, wenn einer Ihnen das sagt, als Christenmensch muss man ihm das abnehmen. Das ist das eine. Das Zweite ist natürlich …
Passon:
Was kann ich tun?
Schacht:
Ja. Wie sieht die tätige Reue aus?
Passon:
Die tätige Reue. Ja, sehen Sie, Sie gehen jetzt direkt mal aufs Strafgesetzbuch ein, nicht wahr?
Schacht:
Na, ja, sagen wir mal: nicht aufs Strafgesetzbuch, aber …
Passon:
Na, ja, weil es die tätige Reue da gibt.
Schacht:
Bleiben wir beim Christentum, das reicht ja aus. Auch da gibt es so was wie eine tätige Reue.
Passon:
Eine, ja, nun, die, die sieht so aus, nicht wahr, dass man dann, also
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