Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vereister Sommer

Vereister Sommer

Titel: Vereister Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Schacht
Vom Netzwerk:
durften wir Kontakt halten.
    Schacht:
Und Löwenstein ist derjenige gewesen, der mit dem fertigen Verurteilungskonzept praktisch angekommen ist, was Sie vollzogen, was Sie bestätigt haben? Im Prinzip?
    Passon:
Ja. Ich glaube, ich hatte es angedeutet gehabt. Jede Anklage …
    Schacht:
Ja?
    Passon:
Ich kann es Ihnen ja heute sagen, nicht?
    Schacht:
Ja, heute kann man es.
    Passon:
Jede Anklage in dieser Sache ist an den Generalstaatsanwalt gegangen, wenn sie fertig war. Und der General …, der Staatsanwalt, hier war’s wohl Löwenstein, ja?
    |131| Schacht:
Ja, ja, der Bezirksstaatsanwalt 1a.
    Passon:
Nee, er war ja auf keinen Fall …
    Schacht:
Oder?
    Passon:
Ja, es ist aber ein Unterschied zwischen 1 und 1a … Wissen Sie, Sie dürfen jetzt nicht eins machen, ich kann das ja mal sagen, Herr Schacht: 1a sind bei der Staatsanwaltschaft alle politischen Sachen. Beim Gericht ist 1. Senat was anderes. Bei Gericht ist 1. Senat alles, was in der 1. Instanz läuft. Das sind alle Mordverfahren. Alle schweren Wirtschaftsverbrechen. Alle schwersten Eigentumsverbrechen. Alle Raubüberfälle. Mit unerhörter Auswirkung auf die Bevölkerung.
    Schacht:
Ja, aber überlegen Sie sich mal, wie unpassend mein Fall in dem Zusammenhang ist!
    Passon:
Ich will Ihnen mal was sagen …
    Schacht:
Was haben die Ihnen denn erzählt? Was sitzt da vor Ihnen? Was war denn so gefährlich daran?
    Passon:
Ja, ja.
    Schacht:
Was war da so gefährlich dran?
    Passon:
Das jetzt nach siebzehn Jahren zu sagen – war es eine … Routine kann man nicht sagen, weil ich das ja vorher nie gemacht habe. Es war der erste, der einzige Fall … Ich möchte aus tiefstem Herzen, ich sage Ihnen das auch als Katholik, ich weiß nicht, ob Sie … Sind Sie Protestant?
    Schacht:
Ja.
    Passon:
Ja, sehen Sie.
    Schacht:
Das macht ja nichts.
    Passon:
Ich könnte Ihnen, ich will Ihnen sagen: Ich kann heute noch das ganze Staffelgebet der Kirche runterbeten. Ich war Ministrant gewesen, ich bin ganz streng katholisch erzogen: In nomine patris et filii et spiritus …
    Schacht:
Wo stammen Sie denn her?
    Passon:
Ich stamme aus Schlesien.
    Schacht:
Aus Schlesien.
    Passon:
Ja. Das ist ja ’ne katholische Gegend.
    |132| Schacht:
Ja, wie haben Sie denn die ganzen Jahre gelebt, bevor Sie das wieder praktizieren konnten?
    Passon:
In einem großen Gewissenskonflikt, indem ich versucht habe, mich aus diesen politischen Sachen herauszuhalten … Angefangen hab ich ja bei der Justiz beim Zivilrecht. Ich war eben auf Grund meiner früheren … Darf ich Ihnen eine Zigarette anbieten?
    Schacht:
Danke. Ich rauche nicht.
    Passon:
Ich bin ’n bisschen, ich bin ’n bisschen jetzt erregt. Sie werden’s verstehen.
    Schacht:
Rauchen Sie.
    Passon:
Ja?
    Schacht:
Rauchen Sie.
    Passon:
Macht Ihnen nichts aus?
    Schacht:
Nein, nein. Macht mir nichts aus. Rauchen Sie ruhig eine Zigarette, wenn Sie das beruhigt.
    Passon:
Ja, ja, es beruhigt. Sie werden’s verstehen?
    Schacht:
Ja, ich hab immer Verständnis. Ich war immer human.
    Passon:
Ja, ja.
    Schacht:
Deswegen stand ich ja auch vor Gericht.
    Passon:
Wissen Sie, wenn man das heute alles betrachtet, dann kann man Ihnen nur gratulieren, und das freut mich. Dass ich einen Menschen vor mir habe, der diesen Weg gemacht hat und der diese Wende herbeigeführt hat. Oder für diese Wende gekämpft hat. Schon zu einer Zeit sich eingesetzt hat, wo kein Mensch daran dachte. Denn diese Wende, die wir uns gedacht haben, sollte ja anders verlaufen, ja? Da wollen wir uns doch nichts vormachen, die sollte ja in einem humanen Weg der Opposition auch – Sie werden kaum einen Verantwortlichen finden, der nicht sagt, man hätte eine Opposition bei uns haben sollen! Nicht wahr, gerade, um eben das, was sich jetzt so gezeigt hat, auch verwirklichen zu können … Jetzt hab ich bald den Faden verloren …
    Schacht:
Das macht nichts.
    Passon:
Ach so, ich wollte Ihnen noch was sagen: Dieser kleine
|133|
Zettel. Ich musste ins Krankenhaus, ich hatte einen schweren Herzanfall gehabt. Ich sage Ihnen auch, das hängt alles mit dieser Sache jetzt zusammen, mit der Aufrollung. Das hat mich so fertiggemacht, dass ich nervlich zusammengebrochen bin. Ich hatte eine schwere Herzattacke, und eine Nichte von mir ist begleitende Ärztin in Magdeburg, die sagt, los komm gleich rein, wir werden dich hochpäppeln wieder. Und da war ich vierzehn Tage, hab ich dort gelegen, und dann ging es mir auch wieder verhältnismäßig besser. Das war an sich der

Weitere Kostenlose Bücher