Verfehlung: Thriller (German Edition)
den Blick und nahm einen Schluck aus seiner Flasche mit kaltem Bier.
»Nein, das stimmt nicht«, sagte Cahill. »Vielleicht kennst du mich einfach nicht gut genug.«
»Heute Morgen ist mir aufgegangen, dass ich so gut wie gar nichts über dich weiß – über Alex Cahill, den weltgewandten Mann voller Geheimnisse.«
»Und wieso kommst du dann in mein Haus, um dir ein richtiges Footballmatch anzugucken, mein Bier zu trinken, meine Burger zu essen und mit meinen Töchtern zu spielen?«
»Erzähl mir von den Mädchen.«
»Was gibt’s da groß zu erzählen? Du kennst sie ja. Zwei kleine Rabauken, die das ganze Haus zusammenschreien, wenn Samantha versucht ihnen Röcke anzuziehen.« Cahill musste selbst grinsen.
»Bist du jetzt anders, seit es sie gibt? Verändern sie dich?«
»Lass dir eins gesagt sein: Wenn man Kinder hat, verändert sich alles für einen. Deine Beziehung zu deiner Frau ist nie mehr die, die sie vorher war. Du kannst nicht einfach unter die Dusche schlüpfen und dein Weib an einem Sonntagmorgen überraschen, ohne dass eins der Mädchen aufwacht. Es ist, als hätten sie kleine Sensoren in ihren Gehirnen eingebaut, die auf so etwas programmiert sind.«
»Ich habe nicht nach eurem Intimleben gefragt.«
»Ich weiß. Natürlich verändern sie einen. Früher, als ich noch ...«
Cahill hielt inne und schaute sich einen Augenblick lang im Raum um, ehe er weitersprach.
»Du kannst nicht mehr über dich selbst nachdenken. Sie kommen immer an erster Stelle. Du bist dafür verantwortlich, sie geistig zu formen und ihre Persönlichkeiten zu entwickeln. Von dir und davon, wie du sie erziehst, hängt es ab, was für eine Person sie im späteren Leben sein werden. Das kann man sich einfach nicht vorstellen, wenn man es nicht selbst mitgemacht hat.« Er hob die Flasche an den Mund und trank den letzten Schluck Bier. »Nichts auf der Welt ist damit zu vergleichen, wenn ich abends die Tür aufschließe, vielleicht sogar ein paar Tage in Übersee gewesen bin, und sie angerannt kommen und sich mir in die Arme werfen. Das ist diese besondere Art der Liebe, die du nur von deinen Kindern bekommst.«
»Aber macht dir die Verantwortung nicht auch Angst?«
»Und wie! Was ist, wenn ich bei ihrer Erziehung Mist baue und es nicht einmal merke, bis es zu spät ist? Wenn sie plötzlich mit achtzehn durch die Tür getorkelt kommen, high von irgendeinem Scheiß und mit blauen Flecken am ganzen Körper? Aber weißt du, was noch schlimmer ist?«
»Sag’s.«
»Die Furcht, sie zu verlieren. Habe ich dir je erzählt, wie Jodie in einem Sommer plötzlich verschwunden war?«
Logan schüttelte den Kopf.
»Wir waren mit Samanthas Eltern an einem Strand irgendwo in Südspanien. Es war unser erster Tag, und wir wollten einfach nur relaxen, uns entspannen. Ich lege mich also auf ein Badehandtuch, ziehe mir meine Brorccos -Kappe über die Augen und döse eine Minute lang ein. Sam und ihre Familie packen die Getränke und unser Mittagspicknick aus. Jodie, sie ist damals fünf, spielt mit Anna im
Wasser, unmittelbar vor unseren Augen, keine zehn oder fünfzehn Meter weit entfernt. Außer uns sind kaum Leute am Strand. Eine kleine, halbmondförmige Bucht in der Vorsaison.«
Logan sah zu, wie Cahills Blick an Schärfe verlor, während er sich erinnerte.
»Das Nächste, an was ich mich erinnere, ist, dass Sam mich wachschüttelt und mich fragt, wo Jodie ist. Anna hockt noch immer am selben Platz, kichert, während die Wellen ihre kleinen Beine umspülen. Sie ist erst zwei. Aber Jodie ist verschwunden. Ich bewahre die Ruhe, stehe auf und sage zu Sams Vater, er soll zum Wasser gehen und gucken, ob er sie sehen kann. Ich bin dabei nicht laut oder hektisch, aber Jodie kann noch nicht schwimmen, und mein erster Gedanke ist, dass sie von der Strömung unter Wasser gezogen worden ist. Man rechnet ja zuerst immer mit dem Schlimmsten. Weißt du, man denkt überhaupt nicht daran, dass sie vielleicht nur ein Stück den Strand entlanggelaufen ist, weil sie irgendwo dahinten einen Esel gesehen hat. Man denkt, dass sie ertrunken ist oder dass irgendein Irrer sie sich geschnappt hat. Also renne ich am Strand hin und her und rufe ihren Namen. Sam ist schon am Durchdrehen, und ein paar von den anderen Leuten am Strand fragen, was denn los sei und ob sie uns helfen können. Wir formen einen kleinen Trupp, und alle gehen auf die Suche nach ihr. Nach fünf Minuten halte auch ich es nicht mehr aus. Sam wird von Weinkrämpfen geschüttelt, und ihre Mutter
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