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Verfehlung: Thriller (German Edition)

Verfehlung: Thriller (German Edition)

Titel: Verfehlung: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: GJ Moffat
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Regentropfen von Logans Anzugrevers. Jetzt erst fiel ihm auf, dass er seinen Mantel nicht mehr trug. Er musste ihn in einer der Bars liegen gelassen haben. Merkwürdig, was für Nebensächlichkeiten einem angesichts einer lebensbedrohlichen Situation in den Sinn kamen.
    »Ich weiß nicht, was Sie von mir wollen.«
    »Wir wollen gar nichts«, sagte der Zwerg.
    »Ich verstehe – nicht.«
    »Wenn das Geschäft gut läuft, wollen wir gar nichts. Verstanden?«
    Nein, er verstand nicht. Sein Kopf fühlte sich an, als wäre er voller Wackelpudding, und die Feuchtigkeit drang ihm bis in die Knochen. Er zitterte noch stärker.
    Der große Mann beugte sich ihm entgegen, bis ihre Nasenspitzen sich beinahe berührten. »Geschäft war heute nicht gut, nein?«
    Logan war sich noch nicht einmal sicher, ob der Mann überhaupt Englisch sprach. Er trat einen Schritt zurück, bis er mit dem Kopf gegen die Wand stieß. Der Riese richtete sich wieder zu seiner vollen Größe auf.
    »Geschäft wird morgen besser sein«, sagte er. »Also hoffen wir, dass nicht noch jemand stirbt. Niemand, den du kennst. Verstanden?«
    »Nein.«
    Der Zwerg kam näher, und sein Geruch traf Logan wie ein Faustschlag. In seinem Kopf drehte sich alles, und er sank, die Hände auf die Oberschenkel gestützt, in die Knie. Wenn er jetzt bloß nicht kotzen musste oder ohnmächtig wurde. Irgendetwas – nein, zwei Dinge flogen an ihm vorbei und landeten auf dem Boden. Der kleinere Mann packte ihn beim Kragen und zog ihn auf die Füße.
    »Keine Treffen mehr ausfallen lassen, okay? Mach den Deal klar.«
    Wahrscheinlich war es das Beste, in alles einzuwilligen, sagte sich Logan. Er nickte, denn er bekam kaum Luft, geschweige denn ein Wort heraus.
    »Gut. Dann sind wir fertig.«
    Die beiden Männer gingen zur Tür und traten in die Nacht hinaus. Die Fahrstuhltür öffnete sich, Logan griff nach den Papierfetzen, die die Unbekannten fallen gelassen
hatten, und stopfte sie sich in die Hosentasche, bevor er sich an den Leuten, die im Erdgeschoss aussteigen wollten, vorbei und in den Lift drängte.
    In seinem Apartment kochte er sich den schlechtesten Kaffee, den die Welt je gesehen hatte, und stürzte zwei dampfend heiße Becher voll hinunter. Dann ging er unter die Dusche und stellte sie so heiß wie möglich ein. Ungefähr eine Minute lang hielt er es aus, dann stellte er, in kurzen, flachen Zügen nach Luft japsend, sie wieder aus.
    Er schaltete sämtliche Lichter ein, zog die Vorhänge zu und drehte die Heizung auf die höchste Stufe. Obwohl er sich ein fleecegefüttertes Sweatshirt, Thermosocken und eine Jeans angezogen hatte, saß er fünf Minuten lang am ganzen Leib zitternd auf der Couch. Als ihm einfiel, dass er im Treppenhaus etwas eingesteckt hatte, suchte er zunächst in seiner Anzugjacke danach und griff erst anschließend in seine Hosentasche. Zum Vorschein kamen zwei zerknitterte Fotos. Das eine war eine Polaroidaufnahme. Sie zeigte eine auf einem Fußboden liegende nackte Frau, zusammengekrümmt in einer irgendwie gekünstelten, an einen Fötus erinnernden Position. Er hielt sich das Bild dicht vor die Augen, um ihr Gesicht erkennen zu können, aber es wurde von ihrem herunterhängenden roten Haar verdeckt. Die Frau kam ihm merkwürdig vertraut vor, doch je länger er sich das Bild ansah, desto weniger konnte er damit anfangen. Er legte es beiseite und nahm sich das zweite Foto vor.
    Dieses zeigte ein kleines Mädchen von vielleicht fünf oder sechs Jahren. Das Alter von Kindern konnte er ganz gut einschätzen, da er die Entwicklung der vier Kinder seines Bruders über die Jahre verfolgt hatte. Das Mädchen auf dem Bild ähnelte Ashley, seiner jüngsten Nichte – die
Kleine hatte die gleichen Augen. Es war eine Porträtaufnahme ihres Gesichts – ein strahlendes, Zahnlücken offenbarendes Lächeln vor dem Hintergrund einer Wiese neben einem schmalen Streifen Sandstrand. Das Mädchen hielt etwas in den Fingern, das sich bei näherer Betrachtung als eine Gänseblümchenkette herausstellte. Logan wusste nicht mehr, wann er zuletzt einen solchen Blumenkranz gesehen hatte, aber das Bild weckte Erinnerungen an lang zurückliegende Sommertage in dem Haus, in dem er aufgewachsen war: wie sie als Kinder beim Fußballspielen Jacken zum Markieren der Torlinien verwendet hatten, wie er auf seinem neuen Rennrad – ein großes, blaues Raleigh Arena – herumgebraust und im Wald auf Bäume geklettert war, um möglichst dicke Kastanien zu sammeln, die dann an einer

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