Verfehlung: Thriller (German Edition)
keinen Zweifel, Becky. Ich weiß bloß nicht, ob uns das, was er verschweigt, helfen würde, das Mädchen zu finden. Auf mich macht er den Eindruck eines ziemlich konfusen jungen Mannes.«
»Wer wäre an seiner Stelle nicht konfus?«
Moore nickte und wandte sich seinem Computerbildschirm zu, als darauf ein Fenster mit der Meldung aufpoppte, dass er eine E-Mail erhalten hatte.
»Ich denke, es ist es wert, da dranzubleiben«, sagte sie.
Moore konzentrierte sich auf den Bildschirm und öffnete mit der Maus die Mail. Er überflog seine Nachricht, irgendeine interne Mitteilung, und wandte sich ihr dann wieder zu.
»Und wie stellen Sie sich das vor?«
Sie hatte das Gefühl, an Boden zu verlieren, wagte aber nichtsdestotrotz einen Vorstoß.
»Ich würde vorschlagen, jemanden abzustellen, um ihn zu beschatten, Sir.«
Moore seufzte. »Becky ...«
»Nein, Sir, lassen Sie mich erklären ...«
»Becky.« Er hob seine Stimme, um ihr zu zeigen, dass er
keinen Widerspruch duldete. »Ich habe in diesem Monat schon fast das äußerste Limit für Überstunden in dieser Abteilung erreicht. Eine Überwachung von Finch kann ich auf keinen Fall rechtfertigen.«
Sie ahnte, dass er nur auf ihren Widerspruch wartete, aber sie war sich ihrer selbst schon nicht mehr so sicher.
»Schauen Sie, Becky, ich begreife ja, dass Sie diesen Burschen als menschliches Wesen schätzen. Er scheint ganz sympathisch zu sein, obwohl er eine gewisse Sturheit an den Tag legt, mit der er sich keinen Gefallen tut. Selbst mich hat es beeindruckt, wie es ihm gelungen ist, mir ein bisschen die Zähne zu zeigen, aber das heißt noch lange nicht, dass ich Überstunden anordne, die im Budget einfach nicht drin sind.«
»Ich verstehe, Sir. Wirklich.«
»Na, dann ist ja gut.«
Sie wandte sich zum Gehen.
»Hören Sie, falls Sie nichts weiter haben, was keinen Aufschub duldet, fahren Sie nach Hause, und legen Sie sich ein wenig aufs Ohr. Das wird Ihnen guttun.«
Sie sah Moore an und fragte sich, was er damit bezweckte. Bei einer Mordsache gab es eigentlich nichts, das einen Aufschub duldete. Gar nichts. Moore verschränkte die Hände über seinem Kopf und streckte dann die Arme durch.
»Was Sie außerhalb Ihrer Dienststunden tun, bleibt natürlich Ihnen überlassen«, sagte er.
Nun hatte sie begriffen.
»Danke«, sagte sie. Dann fiel ihr noch etwas ein. »Was ist mit DS Sharp?«
Nachdem er sich ausgiebig gestreckt hatte, legte Moore die Arme zur Abwechslung hinter seinen Kopf. »Was soll mit ihm sein?«
»Theoretisch ist er bei diesem Fall mein Vorgesetzter. Was wird er dazu sagen, wenn ich mir ganz offiziell den Nachmittag freinehme?«
»Theoretisch gesehen«, wiederholte Moore mit einem Lächeln. »Das gefällt mir. Machen Sie sich wegen Jack mal keinen Kopf. Ich werde mich um ihn kümmern, und theoretisch gesehen bin ich ja sein Vorgesetzter, wie Sie wissen.«
»Richtig«, pflichtete sie ihm überflüssigerweise bei.
Moore beugte sich wieder zu seinem Bildschirm vor und gab ihr mit einer Handbewegung zu verstehen, sie könne nun gehen.
Rebecca Irvine saß auf einem grauen Plastikstuhl ganz allein in der Cafeteria im ersten Stock, trank einen dünnen Tee und überlegte krampfhaft, wo sie beginnen sollte. Sie hatte noch nie eine Person überwacht und befand sich auch irgendwie nicht in der Position, jemanden um Rat zu fragen. In der Absicht, sich eine strukturierte Vorgehensweise zurechtzulegen, hatte sie ihr Notizbuch aufgeschlagen vor sich auf den Tisch gelegt, aber ihr fiel nichts ein.
Sie warf einen Blick auf den Stapel alter Zeitschriften neben sich. Um die Wartezeiten zu überbrücken, würde sie Lesestoff brauchen. Sie zog sich eine ältere Ausgabe der Cosmopolitan hervor, die verlockend mit der Titelstory »Zehn Tricks, um einen Mann im Bett wild zu machen« warb. Irgendwer hatte das Heft schon vor ihr in den Händen gehabt, die zehn Punkte mit einem blauen Kugelschreiber durchgestrichen und zehn Mal »Blasen« danebengeschrieben. Sie entschied sich dafür, an der Tankstelle eine andere Lektüre zu besorgen. Sie brauchte sowieso Benzin.
7
15:30 Uhr
Auf der Fahrt nach Hause kam Rebecca Irvine zu dem Entschluss, dass der beste Ausgangsort für ihre Überwachung wohl Logans Apartment wäre. Sie vermutete, dass er in sein Büro zurückgekehrt war und dort so gut es ging weiterarbeitete, um Probleme in seinem Job zu vermeiden. Die wenigsten Anwälte der großen Kanzleien machten pünktlich um fünf Feierabend. Wenn sie sich also zu
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