Verfehlung: Thriller (German Edition)
in einer silbernen Geldklammer. Und ein ziemlich langes Messer.«
»Hört sich an, als hätte er sich mit dem Falschen auf eine Schlägerei eingelassen.«
»Mit Messern kann ich leben, Becky. Vor allem in dieser Stadt. Aber mit Schusswaffen haben wir nicht allzu oft zu tun, und der Mann hatte eine Kugel im Kopf, so als wäre er hingerichtet worden. Ich möchte, dass Sie zum Pub fahren und sich umsehen, ob der Vorfall irgendwas mit Finch zu tun haben könnte. Der Knabe scheint das Unglück geradezu anzuziehen und hinterlässt dabei eine ganz hübsche Blutspur.«
»Selbstverständlich, Sir.«
»Vergessen Sie aber nicht, dass es nicht Ihr Fall ist, Becky. Er ist den diensthabenden Beamten übertragen worden, die sich bereits am Tatort befinden. Sie werden ausdrücklich nur als Beobachterin dabei sein – es sei denn, wir stellen
einen Zusammenhang mit dem Mord an Penelope Grant fest. Ich habe den ermittelnden Beamten Weisung erteilt, auf Sie zu warten.«
»Wer macht heute die Nachtschicht?«
»Ewen Cameron ist der Detective Sergeant vom Dienst. Sandy Alexander ist mit ihm vor Ort.«
Es freute Rebecca, das zu hören. Sie war mit Sandy Alexander gemeinsam im Polizeidienst aufgestiegen, nachdem sie zusammen in Tulliallan ihre Grundausbildung absolviert hatten. Cameron gehörte wie Jack Sharp zur alten Schule, war aber kein Chauvi und behandelte weibliche Kriminalbeamte mit dem gebührenden Respekt.
»Ich bin in ein paar Minuten da«, sagte sie. »Ist ja gleich um die Ecke.«
»Gut. Informieren Sie mich, sobald Sie sich ein Bild gemacht haben. Und Becky ...«
»Ja?«
»Ich setze in diesem Fall mehr Vertrauen in Sie, als ich es eigentlich dürfte. Ich möchte, dass Sie sich das vor Augen halten und mir keinen Anlass geben, es zu bereuen, verstanden?«
»Ich weiß das zu schätzen, Sir.«
Sie legte den Gurt an, startete den Wagen und fuhr mit hoher Geschwindigkeit die menschenleere Bothwell Street hinunter. Sie bog scharf links und dann noch einmal rechts ab, dann befand sie sich bereits in der West Nile Street. Den Tatort erkannte sie sofort, denn vor der Tür hatte sich eine Menschenmenge gebildet, die die halbe Straße versperrte. Der Auflauf verlangte den vier uniformierten Beamten, die sich bemühten, den Eingang zu überwachen und gleichzeitig die überwiegend betrunkenen Gaffer daran zu hindern, eine Massenschlägerei anzuzetteln, einiges ab.
Eilig parkte sie ihren Wagen quer im absoluten Halteverbot, doch als sie gerade aussteigen wollte, kam ihr auch schon eine der Beamtinnen, eine groß gewachsene Frau Mitte zwanzig, entgegen, um sie anzuweisen, den Wagen doch bitte zu entfernen. Rebecca zückte ihren Dienstausweis und bat ihre uniformierte Kollegin, sie durch die Menschenmenge in das Pub zu führen.
Drinnen stank es fürchterlich nach Alkohol, und die hölzerne Eingangstür klebte von verschüttetem Bier. Sie entdeckte zwei weitere Streifenpolizisten und auch das Team der Spurensicherung, das sich hinter der Bar auf einer kleinen Tanzfläche auf seine Arbeit vorbereitete.
Sandy Alexander nickte ihr von einer Empore über der Bar zu, wo er gerade einen Zeugen befragte, einen gut betucht aussehenden älteren Mann in schwarzem Anzug – wahrscheinlich der Besitzer des Pubs. Rebecca erwiderte den Gruß und ging dann zu der Tanzfläche, um nach DS Cameron zu suchen. Er war ein kleiner, drahtiger Mann mit dichtem grauem Haar und einem altmodischen Schnurrbart. Sie sah ihn aus einem Gang kommen, über dem »Toiletten« stand. Cameron redete auf den Leiter der Spurensicherung ein, den Rebecca an seinem weißen Schutzanzug erkannte. Sie wartete das Ende der Unterredung ab, bevor sie Cameron begrüßte.
»Ich habe soeben mit dem Superintendenten gesprochen«, sagte Cameron, »aber zu diesem Zeitpunkt kann ich Ihnen auch nicht mehr erzählen als ihm.«
»Verstehe. Kann ich die Leiche mal sehen?«
Cameron nickte, wandte sich wieder dem Flur Richtung Toiletten zu und gab ihr ein Zeichen. Der Gang war schmal, und sie musste dem älteren Beamten folgen, statt neben ihm zu gehen. Die Tür zum Männerklo war in geöffneter
Position festgeklemmt worden. Davor stand ein Streifenpolizist, der sich Notizen machte. Schon im Näherkommen konnte sie den großen getrockneten Blutfleck auf dem gefliesten Boden sehen. Cameron hielt vor der Tür inne, damit die Leute von der Spurensicherung genug Platz hatten, um mit ihrer Arbeit zu beginnen.
»Sie können sich’s von hier aus ansehen«, sagte er. »Es sind schon genug
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