Verflixte Hühnersuppe (German Edition)
geknüpft?“
„Nein.“ Grinsend lehnt er sich gegen die Wand. „Das ist ein Indianerschmuck, der ungebetenen Besuch fernhalten soll. Aber wie ich sehe, funktioniert er nicht.“
So viel also zur Versöhnung …
Ich erhebe mich und spähe aus einem der beiden Fenster. „Keine Angst, ich bleibe nicht lange! Ich wollte nur rauskriegen, wie man hier hochkommt. Falls ich verfolgt werde, kann ich mich hier verstecken.“
„Verfolgt? Wer soll dich denn verfolgen?“
Ich zucke nur mit den Schultern. „Man kann ja nie wissen. Also, ich verschwinde jetzt!“ Ich ergreife den Knauf der Holztür, doch Yannik macht eine hastige Bewegung.
„Warte!“ Er steht auf und hält mir die Gummibärchentüte vor den Bauch. „Du bist mein erster Besuch hier oben. Ähm – möchtest du?“
Was soll das denn jetzt werden? Ich angle mir ein gelbes Bärchen heraus. „Du solltest wissen, dass ich nicht darauf aus bin, dir Ärger zu machen“, sage ich versöhnlich. „Ich lass dich in Zukunft in Ruhe und dasselbe erwarte ich auch von dir. Einverstanden?“
„Einverstanden!“ Yannik schiebt sich gleich eine ganze Ladung Bären in den Mund. „Aber wenn du keinen Ärger willst, warum spielst du dich in der Klasse so auf?“
Langsam lasse ich die Hand sinken, mit der ich mir das Gummibärchen in den Mund stecken wollte. „Um nicht als Baby abgestempelt zu werden“, sage ich leise. „Und vielleicht beruhigt dich das: Ich bleibe nur zwei Jahre, dann bin ich wieder weg!“
Ich drehe mich um, ohne Yannik auch nur anzusehen, und klettere hinab. Eine Träne verirrt sich auf meine Wange – und dann werden es sogar noch mehr. Meine Nase schnieft ein paar Sekunden mitleidig vor sich hin. Verflixte Hühnersuppe, du liest richtig! Hast du schon mal was von einem weichen Kern in harter Schale gehört? Dir kann ich’s doch sagen, du verpetzt mich nicht, oder? Ich weine. Wirklich, da kommen Tränen. Ich habe plötzlich alles so satt, das ganze Leben. Warum ist nur immer alles so schwierig? Ständig muss ich mich verstellen, darf nicht sein, wie ich will, und muss mich überall verstecken! Es wird Zeit, dass ich endlich den Tunnel finde und den Trigonischen Kristall nach Hause bringe!
Ich laufe in die Wohnung, schnappe mir meine Geldbörse und gehe in die Stadt. Dort kaufe ich Bücher und Zeitungen in der Hoffnung, in irgendeinem unbedeutenden Artikel einen Hinweis auf einen ungewöhnlichen Raum zu finden, der rot gepolstert ist.
In der Auffahrt meines neuen Heims kommen mir Yannik und Frau Siebert entgegen. Yannik trägt eine große Tasche bei sich und grinst, als er mich sieht.
„Das liest du also anstatt Hausaufgaben zu machen?!“ Er zeigt auf den Karton, den ich in den Händen halte. Sieben Bücher über den Zweiten Weltkrieg liegen darin.
„Nee, die Bücher sind für meine Mutter!“, lüge ich schnell.
Frau Siebert stutzt. „Deine Mutter? Ich denke, sie ist die Schwester deiner Mutter?“
Ich hole tief Luft. Hatte ich nicht vorausgesagt, dass es Verwicklungen gibt? „Ist sie auch, ich nenn sie trotzdem so.“
„Oma passt besser“, murmelt Yannik und schlendert zum Gartentor.
Ich stelle den Karton in meinem Zimmer ab, dann suche ich in den Schränken nach etwas Essbarem. Aber es ist nichts da und Anna ist noch nicht vom Einkaufen zurück. Das Gummibärchen hat nicht wirklich gesättigt und ich nehme mir vor, nie mehr auf ein Essen zu verzichten, egal, wie vermatscht es auch ist. Mein Blick fällt auf die Programmhefte, die Anna mir besorgt hat. Ist heute nicht irgend so ein Karate-Kurs?
Ich packe meine Sporttasche und stürme aus dem Haus.
In Birkenbleich gibt es nur die Turnhalle am Gymnasium und den Weg kenne ich zum Glück. Inzwischen legt sich die Dunkelheit wie eine kalte Decke über die Stadt. Obwohl es bereits März ist, atme ich kleine Rauchwölkchen aus.
Ich betrete als Letzte die Halle. Alle Karateschüler stehen schon in einer Reihe und begrüßen die beiden Leiter. Zuerst wärmen wir uns mit Dehnübungen auf, dann trainieren wir Schritte und Kampfhaltungen.
„Wolltest du mich nicht in Ruhe lassen?“, knurrt jemand hinter mir.
Ich verdrehe die Augen und blicke forsch zurück. Yannik hat die Beine gespreizt und die Hände in die Seiten gestemmt. Wahrscheinlich meint er, in dieser Pose ziemlich cool und gefährlich auszusehen. Stimmt auch – besonders als ich in sein Gesicht blicke, das mich grimmig und herausfordernd anstarrt.
„Ich wusste nicht, dass du hier bist“, entgegne ich gleichmütig und
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