Verflixte Hühnersuppe (German Edition)
Sache hineingeritten. Hätte ich mich an meinen Vorsatz gehalten, niemals mehr eine Beziehung aufzubauen, hätte der Wolf auch kein Druckmittel gefunden. Jahrelang habe ich nach dieser Devise gelebt – und ausgerechnet jetzt, da ich Freunde gefunden habe, wird mir das zum Verhängnis.
„Ob du sie nun umbringst oder ich, das spielt scheinbar keine Rolle mehr!“, rufe ich zu dem Wolf hinüber und stemme meine Arme in die Seiten. „ Ich werde ihr jedenfalls nichts antun!“
„Na gut …“, entgegnet er ruhig. „Du hättest zwar die Möglichkeit, sie sanft ins Jenseits gleiten zu lassen, aber wenn du meinst, dass meine Methoden besser sind …“
„NEIN!“
Ich sinke zu Boden. Meine Knie sind so weich, dass ich nicht mehr stehen kann. Doch ich habe keine Wahl, ich muss Anna opfern, damit Dulack und Steinkaul gehen können. Der Wolf wird den Kristall sowieso bekommen, seine Stärke hat er zur Genüge bewiesen. Das Zeichen bewirkt bei ihm nichts, dieses zu groß gewordene Blechdosenmonster hat uns in der Hand. Er kann uns mit einem Schlag vernichten.
Meine Augen füllen sich mit Tränen, als sich Anna zu mir kniet. „Ich hätte dir gerne die Freiheit wiedergegeben“, schluchze ich. „Du hast so viel für mich getan und jetzt, da du zu Hause bist …“
Ich breche mitten im Satz ab, denn Dulack springt auf und will zu mir rennen. „Nicht, Nadine!“, schreit er und stolpert über seine eigenen Beine. „Tu es nicht! Der Kerl darf nicht …“
Doch der Schlangenmann mit dem Fledermausgesicht versetzt ihn einen Schlag mit der bloßen Faust ins Genick, Dulack kippt vornüber und kracht auf den Steinboden. Reglos bleibt er liegen.
„Ihr dürft ihm nichts tun!“
Ich fahre hoch, ziehe den Kristall hervor und halte ihn in die Höhe. „Krümmt ihr meinen Freunden nur ein Haar, nagle ich euch an die nächste Mauer und lass euch dort verrecken!“
Ich gehe auf Dulack zu, doch Fledermaus packt ihn am Kragen, hievt ihn hoch und schleift ihn so viele Schritte zurück wie ich näher komme. Von der anderen Seite schreitet die Schlangenfrau auf mich zu, bereit, sofort dazwischenzugehen.
Dulack hustet und sieht gequält auf. Unsere Blicke treffen sich und ich schüttle stumm den Kopf. Mach das nie wieder, Lennon, denke ich. Sie sind es nicht wert, bleib wo du bist!
Mit hängenden Schultern kehre ich zu Anna zurück und stelle mich vor sie hin. Was soll ich der Frau sagen, die mich 22 Jahre lang aufopfernd begleitet hat?
„Nimm’s nicht so schwer“, sagt Anna leise. Aus ihrer Furcht wird inzwischen Panik, ich höre es deutlich in ihrer Stimme. Aber sie hat sich verdammt gut im Griff. „Du hast keine Wahl. Ich bin dir nicht böse. Aber kannst du mir vielleicht noch … einen letzten … Gefallen tun?“
Ich schlucke schwer und weil ich kein Wort herausbekomme, nicke ich schließlich. Alles würde ich für sie tun.
„Sag bitte Franz … sag ihm, dass ich ihn nie vergessen werde … dass ich ihn früher schon … Ach, das weiß er doch alles!“ Sie schließt die Augen und schüttelt verzweifelt den Kopf.
Ich nicke, dann falle ich Anna in die Arme und spüre, wie sich Tränen in meine Augen verirren. Deshalb drücke ich sie so fest und lange an mich, bis sie mich sachte von sich zieht. „Ich krieg keine Luft!“, japst sie. „Ich dachte, du wolltest mich sanft hinübergleiten lassen?“
Stumm drehe ich mich zum Wolf um und einige Sekunden lang versuche ich vergeblich, ein einziges deutlich gesprochenes Wort herauszubekommen. „Ich werde Anna von ihrer Bindung an den Kristall befreien“, sage ich heiser. „Aber meine Freunde sollen nicht dabei sein. Lass sie gehen!“
Doch der Wolf schüttelt nur desinteressiert den Kopf.
Ich starre ihn wütend an, dann zische ich: „Du hast wohl überhaupt kein Herz, was?“ Natürlich weiß ich, wie dumm das klingt, trotzdem muss ich das noch einmal loswerden. Vielleicht wünscht er sich ja insgeheim eines, vielleicht will er ja lieber ein Mensch sein und ich kann mich wenigstens mit diesen Worten an ihm rächen …
Doch mein Widersacher verzieht seinen Mund zu einem müden Lächeln.
„Was muss ich tun?“, seufze ich erschöpft.
„Nehmt das Zeichen in eure Hände“, sagt er. „Und dann sprichst du mir nach.“
Langsam, so, als könne ich das Unvermeidliche damit hinauszögern, hole ich den schillernden Kristall hervor. „ Lass mich nicht im Stich, kleiner Freund! “, flüstere ich verzweifelt. Die Angst sitzt mir wie ein Tintenfisch im Nacken, sie
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