Verflixte Hühnersuppe (German Edition)
schlingt ihre vielarmigen Tentakeln um meinen Hals und drückt langsam zu. Es muss doch eine Möglichkeit geben, aus diesem Schlamassel herauszukommen?! Vorsichtig werfe ich einen Blick auf Fledermaus und Lederjacke. Sie drücken ihre Opfer noch fester zu Boden, als wüssten sie genau, was in mir vorgeht. Anna sieht staunend auf den Kristall und bringt tatsächlich ein zartes Lächeln hervor.
„Ich werde für etwas Schönes und Einzigartiges sterben“, haucht sie und legt ihre zitternden Hände um ihn.
Ich will den Mund öffnen, um ihr zu sagen, wie leid es mir tut, aber die Worte kommen nur bis zu den Tentakeln an meinem Hals. Vielleicht kann ich nicht einmal das sagen, was der Wolf von mir erwartet …
„Du musst mir jetzt nachsprechen“, sagt der Wolf ruhig. „ Ich löse dich vom Bann des Zeichens, das in der Welt regiert, in der der Frieden wohnt! “
„Soll das ein Witz sein?“, fauche ich und springe auf. Jetzt sind die Worte doch schneller raus, als ich gedacht habe. „Das Zeichen regiert nicht und nirgendwo ist eine Welt im Frieden!“
„Du hast wirklich keine Ahnung!“ Die Stimme des Wolfs wird energischer. „Sprich endlich!“
Ich drehe mich zu Anna um. „Ich … ich löse dich …“ Doch weiter komme ich nicht. Die Fangarme der Angst drücken wieder zu und meine Stimme versagt. Ich habe das Gefühl, gleich aus den Latschen zu kippen.
„Sprich weiter!“, zischt der Wolf direkt an meinem Ohr. Er ist so blitzschnell näher gekommen, dass ich es nicht gesehen habe. Seine Stimme durchfährt meinen Körper wie Feuer und Eis, ich schwitze und friere zugleich.
Dulack stöhnt auf. Die Fledermaus hat den Arm um seinen Hals gelegt und drückt langsam, aber entschieden zu. (3)
„Ja, ja!“, schreie ich, presse die Augen zusammen und atme tief ein. „… vom Bann des Zeichens …“, flüstere ich und beinahe kann ich mich selbst nicht hören.
„Lauter!“, knurrt der Wolf und dieses Knurren hört sich so verdammt echt an, als stünde tatsächlich ein wildes Raubtier hinter mir.
„… das in der Welt regiert …“, stoße ich hervor und kämpfe gegen die Übelkeit an, die mich plötzlich überfällt. Ich schaue zu Dulack hinüber, die Fledermaus drückt noch einmal zu, sodass Dulack sich verzweifelt aufbäumt.
„… in der der Frieden …“, hauche ich und sinke nun vollends zu Boden. Auch Anna fällt auf die Knie, doch sie sieht noch sehr lebendig aus. Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen, doch dann wird es geschehen. In mir sträubt sich alles. Darf ich wirklich das Leben eines Menschen für den Frieden in einer anderen Welt opfern?
„Sag es!“, zischt der Wolf.
Anna sieht mich mit großen angsterfüllten Augen an. Ihr Blick fleht: Bring es hinter dich! Lass es geschehen! Ich halte es kaum noch aus!
Was habe ich für eine Wahl?
„… wohnt!“
Bei diesem letzten Wort breche ich vollends zusammen. (4)
Kapitel 14
oder
Wieso ich die Hühnersuppe vergebens gekocht habe
Für mich ist eine Welt untergegangen. Ich bin eine Mörderin! Ich habe meine beste Freundin, Ersatzmutter oder was auch immer in den Tod geschickt! Hätte es nur der Wolf getan! Oder einer seiner Schlangenmenschen! Dann hätte ich vielleicht noch eine Entschuldigung gefunden. Aber so hocke ich da, unfähig, mich von der Stelle zu rühren. Nun bin ich mit schwarzem Blut besudelt, das sich nie mehr von mir abwaschen lassen wird. Denn dieser Mord ist schwarz, so schwarz wie die Schwarze Seite, so schwarz wie meine Seele. Niemals hätte ich gedacht, dass ich so weit gehen muss, um mich für den Frieden einzusetzen! Und kann ein Frieden überhaupt friedvoll sein, wenn Menschen für ihn sterben müssen?
„Nadine“, flüstert plötzlich eine Stimme, die deutlich nach Anna klingt.
Ich schüttle mich vor Scham, ich will nicht aufschauen und auf Annas leblosen Körper blicken. Mein Schmerz ist so groß, dass ich mir sogar schon einbilde, sie würde mich rufen.
„ WAS IST HIER LOS? “, brüllt der Wolf. Ich werde gepackt und wie eine willenlose Puppe herumgerissen. Durch meinen Tränenschleier erkenne ich die gelben Augen des Wolfs, sie sind so kalt und herzlos, dass ich mich von ihm abwenden will. „ Was hast du getan?! “, schreit er und diesmal überschlägt sich seine Stimme. Zum ersten Mal sehe ich seine Lider flattern, sehe den Zorn in diesen jugendlichen Augen, eingeengt durch seine Brauen, die er zu einem scharfen V zusammenzieht. Er schüttelt mich, so, als könne er die Antwort aus mir
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