Verflixter Kerl
wie möglich allein lassen. Ich muss ja auch arbeiten."
Das hatte er Sarah schon erklärt – jeden Tag musste er ein paar Stunden an seinem Laptop sitzen und schreiben. Die Stadt hatte ihn ja nicht zum Inselschreiber bestellt, damit er hier nur Urlaub machte. Zweimal pro Woche erwartete die Lokalzeitung, dass er eine Glosse über seine Eindrücke schrieb, außerdem hofften die Leute von der Stadtverwaltung, dass er mindestens ein Kapitel seines nächsten Romans auf der Insel Föhr spielen ließ. Das war kein Problem für "Matthias Graf Wermingsen", wie er sich mit Künstlernamen nannte.
"Was machen wir heute?", erkundigte sich Sarah. An ihrem spitzbübischen Gesicht erkannte Matthias, dass sie schon etwas im Sinn hatte.
"Hm", überlegte er. "Am Nachmittag können wir an den Strand gehen oder die Stadt erkunden, aber vorher planen erst einmal nichts. Um zehn ist die Begrüßung durch den Bürgermeister, das heißt, ich muss vorher nachsehen, ob mein Anzug glatt ist – sonst muss ich ihn bügeln. Ich habe keine Ahnung, wie lang diese Begrüßung sein wird. Vielleicht gehört das Mittagessen mit dazu. Tja... was mache ich nur mit dir in dieser Zeit?"
"Ich komme mit", entschied Sarah.
"Ich weiß nicht..."
"Aber ich", beharrte sie und setzte leise hinzu: "Wenn Mami mit dir hier wäre, hätte der Bürgermeister sie als deine Frau mit einladen müssen, oder? Warum also nicht mich als deine Tochter? Du bringst mich mit, ich schaue ihn nett an, und schon bin ich auch eingeladen."
Auch wenn er stolz auf ihr Selbstbewusstsein war, versetzten die Worte seiner Tochter ihm einen schmerzhaften Stich. Er sah sie an, sie blickte zu Boden. "Du hast Recht", erklärte er. "Wir gehören schließlich zusammen, wir zwei."
Sarah schaute mit einem schmerzhaften Lächeln zu ihm auf. "Ich weiß, dass Mami nicht mehr wiederkommen kann", sagte sie. "Ich habe sie immer noch lieb, und ich wünschte mir, sie könnte jetzt hier sein. Aber das geht nun mal nicht. Trotzdem... ich hätte gern auch wieder eine Mami wie alle Kinder."
Matthias sagte nichts. erst nach einem langen Augenblick nickte er stumm.
*
Das Wetter war deutlich besser geworden, und man konnte am Strand sitzen und sich sonnen. Silke Schönbohm hatte sich in der Buchhandlung Deichmeier einen historischen Krimi von Matthias Graf Wermingsen gekauft, der zur Zeit Napoleons in der französischen Stadt Reims spielte. Sie las gern spannende Krimis, die sie zugleich in andere Zeiten und Lebenswelten entführten. Dabei konnte sie die Gegenwart und ihren Kummer richtig vergessen. Von diesem Autor kannte sie bereits drei andere Romane, und sie war sicher, dass dieser neue genauso spannend war wie die anderen drei.
Silke hatte sich einen Strandkorb am Südstrand gemietet, etwas abseits der Innenstadt und der größeren Hotels. Hier war es ruhig genug zum Lesen. Sie hatte sich gleich nach dem Frühstück auf den Weg gemacht und sich an der Promenade zwei üppig belegte Sandwiches und etwas zu trinken besorgt, denn sie hatte nicht vor, sich in den nächsten paar Stunden aus ihrem Korb zu bewegen. Sorgfältig eingekremt und vor dem Wind geschützt ließ sie sich nun von der Vormittags-Sonne bescheinen und tauchte ab in die Welt ihres Buches.
Es dauerte nicht lange, da wurde Silke so müde, dass sie beschloss, ein wenig zu schlafen. Sie zog die Sonnenblende ein Stück herab und drehte sich auf die Seite. Es dauerte ein Weilchen, bis sie endlich eine bequeme Lage gefunden hatte und einschlief. Da bekam sie einen heftigen Stoß, der sie hochschrecken ließ. Als sie ins Licht blinzelte, standen in ein paar Metern Entfernung ein paar erschrockene Kinder, vielleicht sieben bis zehn Jahre alt. "Was, zum Teufel...!", entfuhr es Silke, aber sie bremste sich rechtzeitig, um die Kinder nicht wüst zu beschimpfen. Sie hatten ja nur gespielt.
"Das wollten wir nicht", rief ein kleines Mädchen. "Der Wind hat den Ball genommen."
"Schon gut", erwiderte Silke. "Ich habe mich nur erschreckt." Sie hob den Ball und warf ihn einem der Mädchen zu, das ihn geschickt auffing.
"He, gut angegeben!", rief die etwa Zehnjährige. "Hast du nicht Lust, ein Weilchen mitzuspielen?"
Silke wollte zuerst ablehnen, sah aber die erwartungsvollen Gesichter der Kinder. Da konnte sie nicht nein sagen. "Na gut", entschied sie. "Aber wir müssen ein paar Meter von den Strandkörben weg, sonst treffen wir die anderen Leute. Ich weiß sogar ein paar lustige Ballspiele." Oft genug hatte sie Kinder auf dem Schulhof oder auf
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