Verflixter Kerl
Regale schweifen ließ, um seine heutige Spendierlaune so richtig auszunutzen, entschied er kurzerhand: "Jetzt ist Schluss!"
"Ooch!", maulte Sarah prompt. "Wir brauchen doch noch Sonnenöl und eine schicke Tasche für die Muscheln und Seesterne, die wir finden, und..."
"Nichts da", unterbrach er sie. "Wenn etwas fehlt, können wir es auch vor Ort kaufen. Wir müssen außerdem nicht für eine Woche unseren größten Koffer voll packen. Und jetzt müssen wir noch zur Post, bevor zugemacht wird."
"Erwartest du etwas Wichtiges?", fragte sie und sah erschrocken zu ihm auf. "Etwas Wichtiges", das konnte nämlich ein neuer Arbeitsauftrag sein, und so etwas hatte schon früher immer die schönsten Pläne in Gefahr gebracht.
Matthias antwortete nicht darauf. In der Tiefgarage zahlte er sein Ticket und ärgerte sich, weil er vergessen hatte, es beim Einkauf an der Kasse abstempeln zu lassen.
Der Verkehr war dicht, wie immer um diese Zeit. Zur Post brauchte er fast eine Viertelstunde – zu Fuß wären sie schneller angekommen. Zum Glück war der Zugang zu den Postfächern noch geöffnet.
Matthias überließ es seiner Tochter, das Fach zu öffnen. Sie hatte ein Strahlen in den Augen, als sie ihm einen dicken Stapel auf den Sortiertisch trug. "Ist mein neues Tigerenten-Heft schon dabei?", fragte sie eifrig.
"Sieht nicht so aus." Matthias hob seine Tochter auf den Tisch. Sie schlenkerte mit den Beinen und schaute zu, wie er die Briefe durchsah. Zeitschriften, jede Menge Werbung, eine Ansichtskarte von Freunden aus dem Urlaub... Er seufzte. Das schreiben von der Versicherung konnte nur eine Mahnung sein. Endlich fischte er einen schmalen, amtlich aussehenden Umschlag aus dem Stapel. "Stadt Wyk auf Föhr" stand als Absender darauf. Das konnte eigentlich nur eine Absage sein.
Mit nervösen Fingern öffnete er den Brief und hielt das Blatt so, dass Sarah es nicht mitlesen konnte. Natürlich würde er wenigstens eine Woche mit ihr hinfahren, aber lieber wäre es ihm natürlich gewesen, sie hätten länger dort bleiben können.
Er las den Brief ein zweites Mal, weil er zunächst den Inhalt gar nicht erfasst hatte. "...würden wir uns freuen, wenn Sie sich umgehend wegen Ihres Ankunfts-Termins mit uns in Verbindung setzen könnten."
"Was ist los, Papa?", erkundigte sich Sarah. "Was machst du für in Gesicht? Hast du einen neuen Arbeitsauftrag?" Sie schien zu fürchten, dass die Ferien, auf die sie sich so freute, in weite Ferne rückten.
"Ja", sagte Matthias trocken. "Ich habe diesmal einen richtigen Job, den ich einhalten muss und den ich nicht verschieben kann."
"Ooch!, maulte sie. “Nicht schon wieder!"
"Es ist aber ein guter Job", erwiderte Matthias schmunzelnd. "Als Inselschreiber nämlich, in Wyk auf Föhr. Das heißt, wir sind nicht nur eine Woche am Meer, sondern sechs. Die ganzen Ferien hindurch."
Einen Moment sah sie ihn fassungslos an, dann strahlte ihr ganzes Gesicht. "Papa!", rief sie jubelnd und fiel ihm um den Hals. Er hob sie vom Tisch und drehte sich einmal mit ihr im Kreis. Er war mindestens genauso glücklich wie sie.
Kapitel 3
"Aufstehen! Die Sonne scheint!"
Noch bevor Matthias Graf die Augen öffnen konnte, um den Wahrheitsgehalt dieser Aussage zu überprüfen, spürte er links und rechts je einen harten Rippenstoß, dazu ein plötzliches Gewicht auf seinem Brustkorb. Das alte Bett quietschte und schaukelte. "Was... was ist denn?", stammelte er.
"Frühstück ist fertig!", krähte seine Tochter und sprang wieder von ihm herunter. "Komm hoch, sonst ist der Tag vorbei!"
Matthias atmete tief ein, um zu prüfen, ob seine Rippen noch alle heil waren. "Ich komme ja schon", stöhnte er. "Schau mal nach, ob draußen vor der Tür eine Zeitung liegt." Als Sarah aus seinem Zimmer lief, stand er auf und wankte in Richtung Badezimmer. Ein Seitenblick fiel auf den Wecker und verriet ihm, dass es gerade mal halb sieben war. "Womit habe ich das verdient?", murmelte er.
Die Dusche war nicht richtig einzustellen. Der harte Wasserstrahl wechselte von kalt auf heiß und wieder zurück. Wenigstens war er danach richtig wach. Erfrischt, aber unrasiert spazierte er im Frotteemantel ins "Wohnzimmer". Eigentlich war das Apartment, das die Stadt ihrem "Inselschreiber" zur Verfügung stellte, recht großzügig. Ein Wohn- und Esszimmer mit abgeteilter Kochnische, ein Bad, ein großes Schlafzimmer mit französischem Bett und Fernseher. Außerdem ein kleines Gästezimmer, das zugleich als Arbeitszimmer dienen konnte, denn
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