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Verflixtes Blau!

Verflixtes Blau!

Titel: Verflixtes Blau! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Moore
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und während sein Körper sich bog wie der Buchstabe C, zerrte er an dem Ring. Ein Scharren wurde laut, und die Wand tat sich auf. Es war eine dicke Eichentür, mit Steinfliesen verblendet.
    » Voilà!«, sagte er und hielt die Laterne hoch. Die Kammer dahinter war nicht größer als der Salon ihrer Wohnung, und die Laterne leuchtete sie voll und ganz aus. Abgesehen von einem glänzenden Bronzeleuchter und zahllosen Leinwänden, die an der hinteren Wand lehnten, war der Raum leer. Der Farbenmann schlurfte zu den Bildern und wählte eines aus, das fast so groß war wie er, ein Manet, der Akt einer hellhäutigen, dunkelhaarigen Frau, im Licht eines Fensters. Sie saß an ihrer Frisierkommode vor einem verzierten, goldenen Spiegel und sah den Maler über ihre Schulter hinweg an, als hätte sie schon erwartet, dass jemand hereinkäme, und freute sich darüber. Den Zwecken des Farbenmannes dienlicher war jedoch der zarte Sessel, auf dem sie saß, gepolstert mit prunkvollem, ultramarinfarbenem Samt. Es war eine selten gelungene Komposition und wäre sowohl ein nationales Kulturgut als auch ein Skandal gewesen, wenn denn jemand gewusst hätte, dass es existierte, selbst jetzt, acht Jahre nach dem Tod des Malers. Nur der Farbenmann, Manet und das Modell hatten das Gemälde je zu sehen bekommen.
    Auch für den Farbenmann war es ein Schatz, und ihm gefiel nicht, dass er es benutzen musste, aber sie brauchten das Blau. Er trug das Bild hinüber in den größeren Raum und lehnte es an die Wand, während er die steinverschalte Tür schloss.
    » Ich sollte dir die Lampe um den Hals hängen«, sagte der Farbenmann zu Etienne. » Ich brauche beide Hände, um das hier zu tragen.«
    Er kämpfte mit der Lampe, versuchte, sie Etienne um den Hals zu hängen, musste jedoch feststellen, dass sein behufter Gefährte nicht gewillt war, den Geruch von brennendem Eselshaar zu ertragen.
    » Wir werden Goyas Trick anwenden müssen«, sagte der Farbenmann. Er hatte ein halbes Dutzend dicke Kerzen in seine Tasche gepackt, die er nun an Etiennes Hutkrempe befestigte und dann anzündete. So wies ihnen der Esel den Weg aus der Unterwelt, wobei er wie eine langohrige Geburtstagstorte aussah, während der Farbenmann ihm hinterherstolperte und versuchte, die Leinwand durch die Gänge zu bugsieren.
    » Hast du was gehört?«, fragte der Farbenmann, als sie fast wieder am Eingang der Katakomben waren.
    Etienne antwortete nicht, weil er nicht zugehört hatte, aber er hätte sowieso nichts gesagt, denn das geschmolzene Wachs hatte seinen neuen Hut ruiniert, was– wie er fand– endgültig bewies, dass dieser kleine Ausflug absolut blödsinnig war.
    Der Farbenmann schob die Leinwand durch eine schmale Tür in eine Kammer, in der sich vom Boden bis zur Decke Menschenschädel türmten. » Wir bringen das Bild in die Wohnung, Etienne, dann gehen wir auf den Markt und kaufen dir ein paar Möhren. Außerdem brauche ich einen neuen Revolver. Bleu räumt nicht ordentlich hinter sich auf.«

20
    Frühstück in der Schwarzen Katze
    N ach seiner Rückkehr von der Ausstellung in Brüssel zerrte Henri seinen Freund Lucien aus der Bäckerei und quer über den Hügel zum Frühstück ins Cabaret Le Chat Noir.
    » Aber ich besitze selbst eine Bäckerei«, sagte Lucien, während er sich von seiner Schürze befreite, als sie den Platz überquerten. » Das Chat Noir hat zum Frühstück gar nicht geöffnet.«
    » Heute schon«, sagte Henri. » Rodolphe Salis hat mich beauftragt, die Wände seines Cabarets zu dekorieren. Ich muss die Leinwand inspizieren.«
    » Du warst schon tausendmal im Le Chat Noir.«
    » Ja, aber heute werde ich nüchtern sein! Und ich brauche deine ehrliche Meinung.«
    » Du bist geisteskrank.«
    » Zu dem, was ich malen soll.«
    » Ach so. Verzeihung. Dann geh voraus.«
    Rodolphe Salis, ein dunkelbärtiger, förmlich gekleideter Mann von vierzig Jahren, schloss ihnen sein Cabaret auf und führte sie in eine Sitzecke, von der aus sie die Wände sehen konnten, die Henri bemalen sollte. Salis war mit dem Chat Noir von dessen ursprünglichem Standort weiter oben an der Straße umgezogen, weil er eine hochklassigere Klientel ansprechen wollte, und diese Absicht spiegelte sich im décor des Cabarets, den geschnitzten Louis- XIV .-Tischen und -Stühlen wider. Roter Samt, Blattgold und Kristall schmückten alles, was sich nicht bewegte. Hinter dem Marmortresen hing ein gewaltiges Wandgemälde von Adolphe Willette, eine Karikatur, die ein modernes Bacchanal

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