Verflixtes Blau!
darstellte, mit Bankiers im Frack, die sich gegenseitig wegen halb nackter Showgirls mit Feenflügeln niederschossen, welche sich etwas abseits an den Rändern hielten, während die Feiernden mittig in einem Strudel selbstvergessener Ausschweifungen tanzten, tranken und grapschten. Es war eine satirische Darstellung der Klientel im Le Chat Noir, Pariser Patrizier, die sich in Gesellschaft ihrer mittellosen Geliebten auf dem Montmartre unters gemeine Volk mischten, wobei der Künstler– Willette– das joie de vivre feierte und zugleich an dem Ast sägte, auf dem er saß.
» Ich weiß«, sagte Salis und deutete auf das Gemälde. » Es ist nicht ganz ohne, sein Bild daneben zu hängen. Den Göttern sei Dank, dass niemand die Kunst beachtet.«
» Ich fühle mich geschmeichelt ob der Gelegenheit«, sagte Henri. » Vielleicht ein Gläschen Wein für Lucien und mich, während wir das Motiv besprechen?« Er klopfte an eine Ledertasche, die er bei sich trug.
» Ich lasse ihn bringen«, sagte Salis und machte sich auf den Weg in sein Büro.
» Du sagtest was von Frühstück«, flüsterte Lucien wütend.
» Ja?«, fragte Henri mit erstaunter Miene. Er zündete sich eine Zigarre an und holte einen Stapel Post aus seiner Tasche. » Alles in nur zwei Wochen. Oh, sieh nur, da ist ein Brief von Omama in Albi.«
» Ich mache mir schreckliche Sorgen um Juliette«, sagte Lucien. » Ich kann kaum noch schlafen.«
Der Wein wurde von einem dünnen, rothaarigen Mädchen gebracht, das zu jung aussah, als dass es in einem Cabaret arbeiten sollte– dreizehn Jahre vielleicht. Die Kleine machte einen Knicks, bevor sie sich rückwärtsgehend vom Tisch entfernte.
» Guck sie nicht so an«, sagte Henri. » Das ist Salis’ Tochter. Ich weiß gar nicht, wieso sie kein Internat besucht. Salis hat Geld genug. Aber sie ist ein Rotschopf, also ist sie wahrscheinlich böse, schon in so jungen Jahren.«
» Ich dachte, du magst Rothaarige.«
» Tu ich auch. Wieso?«
» Ach, nichts.«
Henri schlürfte seinen Wein und widmete sich wieder der Post. » Wie süß. Grandmère wünscht mir Glück für meine Ausstellung in Brüssel. Hör zu: › Gern möchte ich hoffen, dass der Pinsel meines Enkelsohnes, wenn er sein Werk öffentlich zeigt, stets von gutem Geschmack kündet.‹ «
» Sie weiß nicht, wie du in Paris lebst, oder?«
Henri tat die Frage mit einer Geste seiner Zigarre ab und betrachtete die kahle Gipswand über ihrer Sitzecke. » Ich möchte ein Bild von einem Clown malen, der eine Katze fickt.«
» Ich bin mir nicht sicher, ob das funktioniert, nicht mal an den Wänden des Chat Noir«, sagte Lucien.
» Na gut, dann eine Ballerina. Eine dieser petit rats aus der Oper, die Degas so oft malt.«
» Mit einem Clown?«
» Nein. Beim Katzenficken. Das ist das Thema, Lucien. Der Laden heißt Le Chat Noir.«
» Ja, aber als du das Plakat fürs Moulin Rouge gemalt hast, hast du ja auch keinen Clown gemalt, der eine Windmühle fickt.«
» Traurigerweise nicht. Meine ersten Zeichnungen haben sie abgelehnt. Und dabei bin ich gut befreundet mit Cha-U-Kao. Die hätte mir bestimmt Modell gestanden. Sie ist sowohl Clown als auch Lesbe. Gleichzeitig! Die Kunst trauert um eine versäumte Gelegenheit.«
» Du könntest sie immer noch malen«, sagte Lucien.
» Nein. Sie kann Katzen nicht leiden. Aber welch grandioser Symbolismus wäre es doch! Ich sage dir, Lucien, diese Symbolisten, Redon und Gauguin, die haben was.«
» Du sagtest, Gauguin sei ein selbstverliebter Wichser«, sagte Lucien.
» Ach, ja?«
» Mehrmals.«
» Nun, ich meinte Theoretiker. Er ist mir gram, weil ich an keiner seiner Bewegungen teilnehmen will. Cloisonismus? Was soll das sein? Seine Farben mit einer Linie einzufassen. Das ist doch nur ein neuer Name für japanische Druckkunst.«
Lucien schenkte Henri noch ein Glas Wein aus der Karaffe ein, denn er fürchtete, wenn er seinen Freund nicht dazu bewegen konnte, sich etwas zu bremsen und zuzuhören, würde er ihn erdrosseln müssen.
» Ich denke, wir sollten der Katze Drogen geben, oder die Ballerina muss eine Forelle in ihrem Tutu verstecken.«
» Ich war in Giverny«, sagte Lucien. » Monet meint, die blaue Farbe kann die Zeit anhalten. Im wahrsten Sinne des Wortes– für den Maler.«
» Ach«, sagte Henri. » Dann ist also das, woran du dich unter Hypnose erinnert hast, das mit den Lokomotiven, wirklich passiert?«
» Ja«, sagte Lucien. » Monet hat tatsächlich sechs Bilder in einer halben Stunde gemalt. Für
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