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Verflixtes Blau!

Verflixtes Blau!

Titel: Verflixtes Blau! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Moore
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einem Kirchenfenster oder als Schal einer Rothaarigen, sondern als etwas, das im Dunkeln über ihn herfiel. Und da wurde ihm bewusst, warum er den Farbenmann töten würde. Nicht, weil er böse oder grausam war oder weil er sich eine schöne Muse als Sklavin hielt, sondern weil er Henri Angst einjagte. Er wusste, dass er dem Albtraum ein Ende machen konnte und würde.
    » Kannst du uns mit Hilfe der Karte hier herausführen?«, flüsterte Lucien, dessen Lippen beinah Henris Ohr berührten.
    » Vielleicht, wenn wir die Laterne heller drehen«, wisperte Henri zurück. » Angeblich sind die Gänge nach den Straßen über uns ausgerichtet.«
    Das Licht des Farbenmannes hörte kurz auf zu hüpfen, und Lucien griff hinter sich, um Henri aufzuhalten. Er schloss die kleine Klappe der Laterne. Der Esel schrie, und angesichts des Echos wurde ihnen klar, dass sie das Licht des Farbenmannes nicht in einem langen Tunnel sahen, sondern unter einem riesigen, offenen Gewölbe. Ganz vorsichtig, ganz langsam verriegelte Henri den Verschluss des Schrotgewehrs, dämpfte das Geräusch mit dem Handballen. Das leise Klicken ließ sie erstarren, doch was sie für die Reaktion des Farbenmannes auf ihre Anwesenheit hielten, war in Wahrheit nur das Spiel des Lichts seiner Laterne auf einer Wand, welches einen schweren Messingring in der Wand beleuchtete.
    Der Farbenmann stellte seine Lampe ab, packte den Ring mit beiden Händen und trat nach hinten, wobei er etwas zurückzog, das ein Teil der steinernen Wand zu sein schien. Im Schutz des plötzlichen Lärms eilten die beiden Maler weiter und blieben abrupt stehen, als der Farbenmann seine Laterne hochhob. Inzwischen waren sie kaum fünfzig Meter entfernt. Jedes Scharren seiner Füße, jedes Schnauben des Esels hörte sich an, als wäre es direkt in ihren Köpfen.
    Dann war der Farbenmann nicht mehr zu sehen, war in einem Gang oder einem Raum verschwunden, doch der Esel wartete am offenen Portal.
    Lucien stellte die Laterne auf den Boden, beugte sich vor, bis er Henris Hutkrempe an seinem Nasenbein spürte, und flüsterte: » Erschieß mich bitte nicht.«
    Er spürte, dass sein Freund den Kopf schüttelte, hörte ihn sogar lächeln, was er bis dahin kaum für möglich gehalten hätte, und sie schlichen weiter, Schulter an Schulter. Als sie nur noch zwanzig Meter entfernt waren, blieb Henri stehen und spannte die Flinte. Der Esel zuckte zusammen, als er es klicken hörte.
    » Was ist das?«, hörten sie den Farbenmann sagen. » Wer ist da?«
    Er erschien in der Tür, die Lampe hoch erhoben. » Zwerg! Ich sehe dich!« Er zog einen Revolver aus dem Hosenbund und zielte in ihre Richtung. Lucien hechtete aus dem Lichtschein der Laterne, als der Farbenmann schoss. Wie eine wütende Hornisse prallte die Kugel von den Felswänden ab. Der Esel trat aus und floh ins Dunkel, zog eine Spur verängstigten Geschreis hinter sich her wie das perverse Gelächter eines schwindsüchtigen Psychopathen. Lucien kam eben auf die Beine, als er den zweiten Schuss aufblitzen sah. Der Knall explodierte in seinen Ohren, und das Echo verlor sich in einem hohen Ton.
    » Ich sehe dich, Zwerg!«, rief der Farbenmann. Er hob die Lampe hoch über seinen Kopf und stürmte voran, den Revolver in der ausgestreckten Hand. Er spannte den Hahn und zielte, doch statt des lauten Knalls des Revolvers hörte man den Donner einer großkalibrigen Schrotflinte, und die Lampe des Farbenmannes explodierte über seinem Kopf, sodass brennendes Öl auf ihn und den Steinboden hinter ihm regnete. Er schrie wie am Spieß, mehr aus Empörung als vor Schmerz, und lief weiter, eine wandelnde Feuersäule, schoss mit dem Revolver in die Finsternis, bis es klickte– leer. Dennoch stolperte er seinen Angreifern entgegen.
    » Ihr blöden Wichser!«, knurrte er, dann fiel er der Länge nach hin und lag zischend da, während die Flammen an seinem Körper auf- und abtanzten– dunkelblaue Flammen.
    Im Licht des brennenden Farbenmannes konnte Lucien sehen, dass Henri die Leiche betrachtete, die Flinte offen über seinem Unterarm drapiert.
    » Henri, alles in Ordnung?«
    » Ja. Bist du verletzt?« Er ließ den Farbenmann nicht aus den Augen.
    » Nein. Er hat mich verfehlt.«
    » Ich habe absichtlich über ihn hingweggeschossen. Ich wollte ihm nur Angst einjagen. Ich wollte ihn nicht treffen.«
    » Hast du auch nicht.«
    » Du wirst Juliette doch nicht erzählen, dass ich ein Feigling war, oder?«
    » Nein, das wäre gelogen.«
    » Hättest du was dagegen, wenn

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