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Verflixtes Blau!

Verflixtes Blau!

Titel: Verflixtes Blau! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Moore
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ich mir einen Schluck Cognac genehmigen würde? Meine Nerven liegen blank.«
    » Ich schließe mich dir an.«
    » Aus rein medizinischen Gründen«, sagte Toulouse-Lautrec. Er zog den silbernen Flachmann aus seiner Innentasche, schraubte den Deckel ab und reichte ihn, mit einem deutlichen Zittern seiner Hand, seinem Freund. » Nicht, weil wir etwas zu feiern hätten.«
    » Auf das Leben«, sagte Lucien und prostete dem verkohlenden Farbenmann zu. Er trank und gab Henri den Flachmann zurück. » Ich sollte besser unsere Laterne holen, solange ich sie noch finden kann. Ich bin nicht sonderlich erpicht darauf, den Rückweg nur mit den paar Kerzen zu suchen, die ich in der Tasche habe.«
    Als Lucien mit der Laterne wiederkam, hatte Henri bereits eine Kerze angezündet und betrachtete eines der Gemälde, die in drei Reihen an die Wand gelehnt standen, nach Größen sortiert. Henri hielt die Kerze an das mittelgroße Porträt eines Jungen mit dunklen Augen und einem Schopf von dunklen Haaren, der ihm in die Stirn fiel.
    » Lucien, hol die Laterne! Sieh dir das an! Ich glaube, das ist ein Pissarro. Als wäre Manets Stil mit Cézannes vermischt. So ein Pissarro-Porträt habe ich noch nie gesehen.«
    » Na ja, er hat seit den Sechzigern gemeinsam mit Cézanne gemalt. Möglicherweise siehst du hier seinen Einfluss auf Cézanne.« Lucien beleuchtete das Bild mit der Laterne.
    » Aber diese dunklen Augen, wie gehetzt, die Haare, diese…« Henris Blick wanderte von dem Gemälde zu Lucien, dann wieder zurück.
    » Das bin ich«, sagte Lucien.
    » Du? Aber das ist doch eines von diesen Bildern, die Pissarro damals angeblich malte, die aber nie jemand zu Gesicht bekommen hat.«
    » Ja.«
    » Und du erinnerst dich nicht, dafür Modell gesessen zu haben?«
    » Nein.«
    » Nun, du warst noch ein kleiner Junge. Kindheitserinnerungen verblassen…«
    » Nein. Juliette hat gesagt, sie ist nur zweimal gleichzeitig Maler und Modell gewesen. Ein Mal bei Berthe Morisot, das andere Mal bei mir. Sie war ich.«
    Henri stand vor der Reihe mit den größten Leinwänden. Die vorderste war ein stürmisches Seestück, auf dem ein Schiff von Sacré Bleu überspült wurde.
    » Turner«, sagte Henri. » Das verstehe ich nicht. War sie auch mal ein Schiff?«
    » Sie muss nicht unbedingt Modell sitzen. Der Maler muss nur von ihr besessen sein«, sagte Lucien trocken. Er formulierte eine Tatsache, nicht mehr und nicht weniger, und eine kalte Ruhe kam über ihn, als ihm langsam der Einfluss bewusst wurde, den die Muse auf sein Leben, auf so viele Leben gehabt hatte.
    Lucien kniete am Boden, um die Reihe kleinerer Bilder durchzugehen. Das erste war ein Monet, ein Lupinenfeld. Den nächsten Maler erkannte er nicht, irgendetwas Flämisches, eine bäuerliche Szene, alt. Das dritte Bild zeigte Carmen Gaudin, Henris Carmen, die breitbeinig auf der Erde saß, das blaue Kleid halb ausgezogen, zeigte ihren nackten Rücken, die Haare hochgesteckt, dieselben losen, roten Strähnen, dieselbe blasse Haut, doch im Gegensatz zu allen anderen Bildern, die er je von ihr gesehen hatte, lächelte sie, blickte kokett über ihre Schulter den Maler an, blickte mit gespielter Keuschheit auf. Lucien kannte diesen Blick. Dutzende Male hatte er ihn schon auf Juliettes Gesicht gesehen, doch nur Henri Toulouse-Lautrec kannte ihn von Carmen Gaudin. Er gab den Bildern einen Stoß, als knallte er den Deckel eines verbotenen Buches zu, und trat zurück.

    Toulouse-Lautrec kippte das große Gemälde von Turner nach vorn, um das Bild dahinter betrachten zu können, und ließ es vor Schreck los, sodass es fast umfiel.
    » Ogottogott«, sagte er.
    Lucien trat zu ihm und betrachtete das Bild. Eine nackte Frau räkelte sich auf einem Diwan, über den ein ultramarinblaues Seidentuch geworfen war.
    » Sie ist eine große, aber ungemein einnehmende Frau. Ich hätte nicht vermutet, dass sie rothaarig ist, eher rotbrünett, aber schließlich trägt sie die Haare stets zu einem chignon gebunden. Wenn sie offen sind wie hier und über ihre Hüften fallen, ja, dann ist sie in der Tat ausgesprochen einnehmend.«
    Lucien stellte die Laterne zu Henris Füßen und riss ihm die brennende Kerze aus der Hand, wobei er Wachs auf das Gemälde spritzte. » Verbrenn sie«, sagte er, wandte sich ab und marschierte zur Tür hinaus. » Verbrenn sie alle. Nimm etwas von dem Öl aus der Lampe, um sie anzuzünden.«
    » Ich begreife deine Bestürzung, aber es ist gut gemalt«, sagte Henri, der die Lampe genommen hatte

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