Verflixtes Blau!
verraten.«
» Dass sie ein Flittchen ist?«
» Dass sie die Frau war, die du vor vielen Jahren beobachtet hast, wie sie in Papas Atelier ging.«
Régine schlug seine Hand von ihrem Arm. » Lass mich in Ruhe, Lucien. Mach dich nicht lächerlich.«
» Hast du sie dir richtig ansehen können? Die Frau, die bei Papa im Atelier war?«
» Nein, das weißt du doch. Deshalb war Marie oben auf dem Dach– um durchs Oberlicht zu schauen. Aber ich weiß, dass es nicht Maman war. Sie war bei Großmutter zu Besuch.«
» Nein, war sie nicht.«
» Die Frau, die ich gesehen habe, hatte lange, rote Haare. Sie trug ein blaues Kleid, das ich nie zuvor gesehen hatte. Meinst du denn, ich würde meine eigene Mutter nicht erkennen? Warum sagst du solche Sachen, Lucien? Ich weiß über Papa und dieses Flittchen Bescheid, seit…«
» Ich habe Papas Tagebuch gefunden. Beim Aufräumen im Lager. Er beschreibt, wie Maman zu ihm ins Atelier kam. Und tagelang bei ihm blieb.«
» Aber sie hat für Kunst nichts übrig. Nie hat sie ein gutes Wort über Papas Malerei verloren. Zeig mir dieses Tagebuch.«
Lucien hatte das Ganze nicht recht durchdacht. Er hatte geglaubt, wenn er Régine erzählte, dass ihre Mutter die geheimnisvolle Frau war, wäre sie so erleichtert, dass… nun, er hatte einfach nicht damit gerechnet, dass sie ihn infrage stellen würde. » Das geht nicht. Ich habe es verbrannt.«
» Warum solltest du es verbrennen?«
» Weil es kompromittierende Enthüllungen über Maman und Papa enthielt.«
» Die du mir gerade offenbart hast. Ich werde Maman danach fragen.«
» Das geht nicht. Sie kann sich nicht erinnern.«
» Selbstverständlich wird sie sich daran erinnern. Papa ist in diesem Atelier gestorben. Marie ist umgekommen, als sie in dieses Atelier hineinsehen wollte. Es wird ihr vielleicht nicht gefallen, aber sie wird sich bestimmt erinnern.«
» Nein, wird sie nicht, weil sie Opium genommen hatte. Ganz, ganz viel Opium. Papa hat davon geschrieben. Er schrieb, sie nahm Opium und kam in sein Atelier, und dann haben sie sich tagelang geliebt. Aber sie kann sich nicht daran erinnern. So, jetzt weißt du es.«
» Maman hat Opium genommen, ohne dass einer von uns es gemerkt hätte?«
» Ja. Überleg doch mal. Wie oft haben wir gesagt, Maman ist endgültig verrückt geworden? Stellt sich heraus, sie war gar nicht verrückt. Sie war drogensüchtig.«
» Und offenbar auch sexsüchtig.«
» Papa hat alles detailliert beschrieben, die widerwärtigen, abstoßenden Dinge, die sie miteinander getrieben haben. Das hast du an dem Abend gehört, als Marie aufs Dach geklettert ist. Deshalb musste ich das Tagebuch verbrennen. Um dich zu schonen, Régine. Ich habe es für dich getan.«
» Um mich zu schonen, hast du beschlossen, mich bei meiner Arbeit zu stören und mir zu enthüllen, dass unsere Mutter pervers und drogensüchtig ist und unser Vater diesen Umstand nicht nur ausgenutzt, sondern das Ganze auch noch detailliert aufgeschrieben hat? Und das soll mich schonen?«
» Weil du dich all die Jahre dafür verantwortlich gefühlt hast, diese Frau vor Maman geheim zu halten, und weil du dich für Maries Tod verantwortlich fühlst. Versteh doch: Für das alles kannst du nichts!«
» Aber jetzt, da ich die Wahrheit kenne, muss ich dieses Geheimnis vor Maman hüten?«
» Es würde ihre Gefühle verletzen.«
» Sie hat unseren Vater totgebumst.«
» Ja, aber es war doch nett gemeint. Wenn man es recht bedenkt, ist es eigentlich ganz süß.«
» Nein, ist es nicht. Es ist überhaupt nicht süß.«
» Ich glaube, nach Papas und Maries Tod war sie dermaßen schockiert, dass sie die Drogen sein ließ, und so hat sich doch im Grunde noch alles zum Besten gewendet.«
» Nein, hat es nicht.«
» Du hast recht. Wir sollten sie im Schlaf ermorden. Meinst du, Gilles würde uns mit der Leiche helfen? Immerhin ist sie ziemlich groß.«
» Lucien, du bist der schlechteste Lügner der Welt.«
» Mir liegt das Visuelle eben mehr als das Verbale. Schon allein wegen der Malerei und so.«
Sie beugte sich vor und gab ihm einen Kuss auf die Wange. » Aber es ist wirklich nett von dir, dass du mich trösten willst. Ich weiß nicht, wieso, aber irgendwo unter deinem dicken Pelz von Dummheit hast du doch ein gutes Herz.«
» Was ist denn hier los?« Mère Lessards Stimme ertönte vom oberen Ende der Treppe.
Régine kniff Lucien in den Arm und drehte sich zu ihrer Mutter um. » Ich war gerade beim Ausfegen, da kam Lucien und hat mir
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