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Verflixtes Blau!

Verflixtes Blau!

Titel: Verflixtes Blau! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Moore
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erzählt, dass du Opium genommen und Papa in seinem Atelier totgebumst hast.«
    Lucien zuckte zusammen, dann hechtete er durch den Vorhang in den Laden.
    » Pah! Das hätte ihm so passen können«, sagte Mère Lessard.
    Offensichtlich hatten Mütter und Töchter ein anderes Verhältnis zueinander als Mütter und Söhne, sonst wäre Régine jetzt wohl damit beschäftigt, sich ein Nudelholz aus ihrem derrière zu ziehen.
    Na gut, wenigstens habe ich es versucht, dachte Lucien.
    An diesem Abend dinierte Henri Toulouse-Lautrec im Lapin Agile, in Gesellschaft seines Freundes Oscar, eines irischen Autors, der gerade aus London eingetroffen war. Lucien und Juliette hatte Henri seit jenem Abend nicht mehr gesehen, an dem der Farbenmann zu Tode gekommen war. Seit er die Meisterwerke verbrannt hatte, ertrug er die Gesellschaft seiner Künstlerfreunde nicht mehr, und selbst den Mädchen in den Bordellen war es unmöglich, ihn von der Schuld abzulenken, die er auf sich geladen hatte, also verkroch er sich ganz allein in eine große Flasche und blieb dort, bis Oscar an die Tür seiner Wohnung auf dem Hügel klopfte und darauf bestand, dass sie eine Runde durch die Cafés und Cabarets drehten.
    Oscar, ein großer, dunkelhaariger Dandy und Geschichtenerzähler, zog die Cafés den Cabarets vor, weil ihn dort alle hören konnten, wenn er mit seinem wohlgeübten Witz brillierte, ungeachtet seiner miserablen Französischkenntnisse. Noch jedoch war es nicht so weit, dass Oscar auch in Paris den Ruf als großmäuliger Prahlhans erlangt hatte, dessen er sich in der englischsprachigen Welt längst erfreute, denn während Henris erster Mahlzeit seit einer Woche lallte dieser eine phantastische Geschichte, die den Iren fesselte und in beiden Sprachen beinah sprachlos machte.
    » Du willst mir doch den Arm nehmen«, sagte Oscar auf Französisch. » Keiner einer will so ein Buch saufen.«
    » Dein Französisch ist unter aller Sau, Oscar«, sagte Henri um einen Bissen von blutigem Steak herum. » Und es ist alles wahr.«
    » Mein Französisch ist feist und flüssig«, sagte Oscar, womit er sagen wollte, dass er fabelhaft und fließend Französisch sprach. » Selbstverständlich ist es nicht wahr. Aber das ist mir völlig Kanone. Es gäbe ein leckeres Buch. Darf ich mir Notizen machen?«
    » Mehr Wein!«, rief Henri dem Barmann zu. » Ja. Schreib, schreib, schreib, Oscar! Das tut der Mensch, wenn er keine echte Kunst erschaffen kann.«
    » Ich höre«, sagte Oscar. » Es lag also an den Bildern, dass der kleine Mann nie sterben musste?«
    » Ja«, sagte Henri.
    Und so kam es, dass Henri, während er immer betrunkener und wirrer und auch Oscar Wilde immer betrunkener und sein Französisch immer wirrer wurde, noch eine ganze Stunde lang die Mär vom Farbenmann spann und wie dieser mit Hilfe der Gemälde großer Meister dem Tod ein Schnippchen geschlagen hatte. Als der Abend zu Ende ging oder zumindest für Menschen hätte zu Ende gehen sollen, die noch recht bei Sinnen waren, stolperten die beiden aus dem Lapin Agile, wobei Oscar sich auf Henris Kopf und Henri sich auf seinen Gehstock stützte. An einem Lattenzaun an der Rue des Saules blieben sie stehen, als ihnen schmerzlich bewusst wurde, dass keine Droschke kommen würde und sie sich irgendwie die Stufen den Hügel hinunter zum Pigalle manövrieren mussten, um dann dort eine Droschke zu nehmen oder ihren Kneipenbummel fortzusetzen, als sie eine Frau laut rufen hörten.
    » Entschuldigen Sie«, rief sie. » Verzeihung, sind Sie Monsieur Toulouse-Lautrec?«
    Gegenüber, auf einer Bank, auf der Lucien auch schon mit Juliette gesessen und über Paris geblickt hatte, saß im Dunkeln eine einsame Gestalt.
    Henri hielt sich an Oscars Revers fest, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, zerrte den Dramatiker über die Straße und beugte sich ganz nah an das Gesicht der Frau, das er nun im Mondschein und dem Licht, das aus den Fenstern des Lapin Agile fiel, erkennen konnte.
    » Bonsoir, Mademoiselle«, sagte er. Er nahm den Rand seines pince-nez, und während er an Oscars Revers hing, inspizierte er schwankend das Gesicht der Frau. » Und was führt Sie an diesem Abend auf den Montmartre?«
    » Ich bin gekommen, um mit Euch zu sprechen«, sagte sie. » Die Concierge in Eurem Haus sagte, ich würde Euch hier finden.«
    Henri beugte sich noch einmal ganz nah heran, und– ja– er sah das Leuchten in ihren Augen, das Wiedererkennen, das Lächeln, das er so sehr vermisst hatte. Das war seine Carmen. Er

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