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Verflixtes Blau!

Verflixtes Blau!

Titel: Verflixtes Blau! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Moore
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geliebten Provence versteckt.
    » Und wirst du deine notleidende Ehefrau nun endlich zum Tanz ausführen, nachdem deine Busenfreunde weg sind?«, sagte Madame Lessard. » In einem neuen, schwarz-weiß gestreiften Kleid, wie der Heilige Vater es verfügt hat?«
    » Der Papst hat kein Wort davon gesagt, dass du ein schwarzweiß gestreiftes Kleid anziehen sollst, Weib.«
    » Nun, nachdem deine Freunde nicht mehr da sind, kannst du ja nun zur Messe gehen, statt den ganzen Morgen Kaffee zu trinken und über Kunst zu palavern. Dann wirst du hören, was der Heilige Vater sagt.« Madame Lessard wandte sich ihren Töchtern Marie und Régine zu, die dabeistanden und taten, als stopften sie Strümpfe. » Fürchtet euch nicht, meine Küken, Maman wird nicht zulassen, dass ihr einen Ketzer heiratet.«
    » Dann bin ich jetzt also ein Ketzer?«
    » Wer behauptet denn so was?«, sagte Madame. » Ich werde ihm von Monsieur Robelard, unserem kernigen Portier, eine Ohrfeige verpassen lassen. Ich glaube, er nimmt zwei Francs dafür.« Madame hielt ihm die offene Hand hin. » S’il vous plaît.«
    Père Lessard griff tief in seine Tasche. In gewisser Weise schien es ihm absolut sinnvoll, Monsieur Robelard, den Portier des Moulin de la Galette, dafür zu bezahlen, dass er die Ehre des Bäckers gegen einen Vorwurf der Ketzerei verteidigte, den niemand erhoben hatte. Père Lessard mochte vielleicht kein Künstler sein, doch er besaß den Geschäftssinn eines solchen.
    Obwohl sich die Stadt im Belagerungszustand befand, sparte Madame auf ein schwarz-weiß gestreiftes Kleid, in dem sie zum Tanzen ausgeführt werden wollte. Doch im Moulin de la Galette wurde nicht getanzt und auch in keinem anderen Lokal der Stadt. Die Männer, die dageblieben waren, selbst solche, die ihre Familien noch aus der Stadt schicken konnten, bevor die Preußen kamen, verbrachten ihre Abende und Sonntagnachmittage mit der Verteidigung der Barrikaden, und die Frauen– sofern sie sich nicht in die Keller flüchteten– fütterten und umsorgten ihre Kinder. Die Krämer, Schlachter und Bäcker gaben sich alle Mühe, die Pariser zu versorgen, obwohl es nichts mehr gab.
    Als Erstes verschwand das Federvieh aus den Hinterhöfen des Montmartre. Anfangs nur die Enten und die zarten Fleischhühner, doch als es kein Futter mehr gab, landeten selbst die Legehennen im Topf, bis schließlich kein einziger, uhrzeitsicherer Hahn, der den Sonnenaufgang hätte verkünden können, ungeschmort blieb. Da mit der Eisenbahn kein Vieh mehr vom Lande kam, lungerten die Schlachter des großen Marktes von Les Halles den lieben langen Tag in Cafés herum, mit Gläsern voll Pernod in den schinkengroßen Händen, bis auch davon nichts mehr da war. Die beiden Milchkühe auf dem Montmartre gehörten Madame Jacob von der crémerie und blieben eine Weile verschont, weil sie auf der Rückseite des Hügels und auf dem Brachland des Maquis, des Elendsviertels beim Friedhof, weideten, doch als auch die letzten Halme zu Stummeln abgegrast waren und schon die Pferde der städtischen Garde geschlachtet wurden, fanden auch Astrid und Sylvie mit den traurigen Augen ihren Weg ins pot-au-feu, das Madame Jacob mit ihren Tränen salzte.
    Als die Belagerung im August begann, strotzten die Gemüsegärten von Montmartre und Maquis nur so vor Mais und schneckennarbigem Kürbis, doch schon zwei Wochen nach Ankunft der Preußen, als nichts mehr vom Land in die Stadt gelangte, blieb nur noch das Wurzelgemüse, welches so selten war, dass sich ein Herr, der eine weiße Rübe sein Eigen nannte, in Gesellschaft ganzer Horden von Pigalle-Huren wiederfand, die ohne Weiteres bereit waren, einen Abend feuchter Fröhlichkeit gegen das Versprechen auf eine halbe Knolle einzutauschen.
    Als die preußischen Kanonen erstmals in der Ferne donnerten, wusste Père Lessard, was kommen würde, also kaufte er alles Mehl, das er bekommen konnte, dann holte er ein Dutzend leere Säcke aus dem Lager und führte Lucien den Hügel hinab in eine Fassbinderwerkstatt, eingezwängt zwischen den Fabriken von Saint-Denis. Dort mussten sie nur fragen, ob sie das feine Eichensägemehl in ihre Säcke füllen durften.
    » Sie wollen damit Ihre Öfen befeuern, non?«, sagte der Fassbinder. » Gute Idee. Brennt heiß. Aber seien Sie vorsichtig. Es kann explodieren, wenn die Luft davon erfüllt ist.«
    » Ja, wie beim Mehl«, sagte Père Lessard. » Ich werde aufpassen.« Er dachte gar nicht daran, das Sägemehl für die Öfen zu benutzen. Er

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