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Verflixtes Blau!

Verflixtes Blau!

Titel: Verflixtes Blau! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Moore
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Schnecke in der Hand, hielt das Schneckenhaus mit zwei Fingern, bot sie Lucien an.
    » Sie gehört dir, Junge. Komm schon, nimm sie!« Er trug eine dicke Schildpattbrille auf der langen, knochigen Nase.
    Lucien schlich zurück zu dem alten Mann, hob seinen Eimer hoch und hielt ihn hin. Er hatte diesen Mann schon mal gesehen, als er einen kleinen Garten im Maquis pflegte. Stets in seinem etwas fadenscheinigen, karierten Anzug. Das Revers zierte ein Orden an der Trikolore. Der alte Mann ließ die Schnecke in den Eimer fallen. » Merci, Monsieur«, sagte Lucien, verneigte sich leicht, obwohl er gar nicht wusste, wieso.
    Der alte Herr war sehr groß, oder zumindest wirkte er so, weil er sehr dünn war. Er hockte sich hin und warf einen Blick in den Eimer. » In der hier sind bestimmt geniale Gedanken. Eine Stunde lang habe ich sie auf Foucaults Grab beobachtet.«
    Lucien begriff nicht. » Die ist nicht für mich«, sagte er. » Sie ist für Madame Jacob.«
    » Auch gut«, sagte der alte Mann und erhob sich. » Sie schmecken wie Dreck. Und ohne Butter oder Knoblauch könnte man auch ebenso Dreck fressen. Aber hier ist mein Geheimnis: Iss Schnecken nur von Gräbern großer Denker. Foucault war ein Genie. Er hat eine Möglichkeit errechnet, die Geschwindigkeit des Lichts zu messen. Und er ist erst seit zwei Jahren tot. Sicher sickert seine Seele noch immer aus dem Grab, um von dieser Schnecke gefressen zu werden. Wenn wir sie dann essen, nehmen wir etwas von dieser Genialität in uns auf, meinst du nicht auch?«
    Lucien hatte keine Ahnung, doch der alte Mann erwartete offenbar eine Antwort. » Ja?«, versuchte es Lucien.
    » Sehr richtig, junger Mann. Wie heißt du?«
    » Ich bin Lucien Lessard, Monsieur.«
    » Auch wieder richtig. Und ich bin Professeur Gaston Bastard. Du darfst mich Le Professeur nennen. Ich war Lehrer, bin im Ruhestand. Das Erziehungsministerium hat mir eine Pension und einen Orden zugestanden.« Er tippte an die Medaille an seiner Brust. » Als Auszeichnung.«
    Wieder legte Le Professeur eine Pause ein und neigte Lucien sein Ohr zu, als erwartete er eine Antwort, also sagte Lucien: » Ausgezeichnet?«
    » Très bien!«, sagte der Professeur. » Komm.« Der Professeur machte auf dem Absatz eines sehr abgelaufenen Stiefels kehrt und marschierte den Weg hinunter, sein Rücken so gerade wie der eines Zwanzigjährigen, das Kinn erhoben, als marschierte er einer Kompanie voran. » Weißt du, dass dieser ganze Friedhof auf einem Kalksteinbruch steht, den die Römer vor zweitausend Jahren gegraben haben?«
    Der Professeur blieb stehen, sah sich um, wartete.
    » Die Römer«, sagte Lucien. Langsam begriff er, wie der Hase lief. Wenn seine Mutter, sein Vater oder sonst irgendein Erwachsener mit ihm sprach, wollte der sich normalerweise nur selbst reden hören, und er konnte seine Gedanken schweifen lassen, zur süßen Minette oder zum Abendessen oder dass er pinkeln musste, doch der Professeur forderte seine ganze Aufmerksamkeit.
    » Vieles vom frühen Paris wurde aus dem Kalkstein dieser Grube gebaut. Da! Da ist noch eine.«
    Der Professeur blieb stehen und wartete, während Lucien eine fette Schnecke von einem sehr alten Grab nahm, das vor lauter Moos ganz grün war. Danach gingen sie weiter.
    » Später haben sie damit begonnen, in Minen das Selenit des Montmartre abzubauen, aus dem sie– was– gemacht haben?«
    Lucien hatte keine Ahnung, was Selenit war. Einen Moment lang hielt er die Luft an, versuchte nachzudenken. Er wusste, wenn etwas aus einer Mine kam, war es im Boden. Angestrengt überlegte er, was aus etwas gefertigt sein mochte, das im Boden war.
    » Zwiebelsuppe?«, sagte er.
    Der Professeur musterte Lucien über seine Brille hinweg. » Gips«, sagte er. » Selenit ist Gips. Der feinste auf der ganzen Welt. Vielleicht hast du schon mal den Ausdruck Pariser Gips gehört?«
    Hatte Lucien nicht. » Ja«, sagte er.
    » Nun, eigentlich war es Montmartre-Gips. Einst war der ganze Hügel so von Schächten durchlöchert, dass es zu gefährlich wurde, darauf zu bauen. Sie mussten Beton in die alten Minen schütten, um sie zu stabilisieren. Aber es gibt da unten noch einige Schächte. Sie zeigen sich nach starkem Regen oder wenn jemand seinen Keller zu tief gräbt. Einer beginnt sogar hier im Maquis.« Der Professeur zog seine Augenbraue hoch, als erwarte er eine Antwort, obwohl er keine Frage gestellt hatte.
    » Im Maquis?«, sagte Lucien.
    » Ja, nicht weit von meinem Haus. Er liegt versteckt. Da gibt es

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