Verflixtes Blau!
die besten Ratten.«
» Ratten?«, fragte Lucien.
Sie verbrachten noch eine Stunde damit, Schnecken von Grabsteinen zu sammeln, und der Professeur zeigte Lucien, wie man den glitzernden Schleimspuren unter Büsche und Blätter folgte, um die Schnecken aufzuspüren, die sich schon ihr Versteck für den Tag suchten.
» Sie schmecken besser, wenn du sie in eine Wanne mit Maisbrei setzt, damit sie sich eine Woche davon ernähren und ihre Körper von Erde reinigen. Nur gibt es leider keinen Mais. Aber du solltest sowieso nur Foucaults Schnecke essen.«
Der Professeur hatte darauf bestanden, dass Lucien die Schnecke behielt, die sie von Foucaults Grab gesammelt hatten, und rang ihm das Versprechen ab, dass er allein sie essen würde, damit er etwas von der Seele des großen Wissenschaftlers in sich aufnehmen konnte.
» Nun«, sagte der Professeur, » wenn wir ein paar Schnecken vom Friedhof Père Lachaise bekommen könnten, da sind ein paar große Denker begraben. Die meisten von denen, die du hier gesammelt hast, nähren sich an den Seelen von Gesindel.«
Lucien freute sich, dass er einen Eimer voller Schnecken hatte, doch als er dem alten Mann zu dessen Häuschen im Maquis folgte, kam ihm langsam der Verdacht, dass sein Wohltäter verrückt sein könnte.
Der Professeur führte Lucien in seine Zweizimmerhütte. Den größten Teil des festgetretenen Bodens im vorderen Raum nahm etwas ein, das wie eine kleine Rennbahn aussah. An der einen Wand standen zwei Käfige, beide etwa kniehoch. Einer war voller Mäuse, der andere voller Ratten. Je ein Dutzend beider Spezies.
» Pferde und Wagenlenker«, sagte der Professeur.
» Ratten«, sagte Lucien mit einem Schaudern. Dort im Käfig wirkten sie viel kleiner, weniger gefährlich, weniger dazu angetan, ihn zu schänden und zu töten, als jene, denen er in der Wildnis begegnet war.
» Ich bringe ihnen Kunststücke bei«, sagte der Professeur. Er griff in den größeren Käfig und holte eine der Ratten heraus, die anscheinend nichts dagegen einzuwenden hatte und an der Hand des alten Mannes schnüffelte, als suchte sie nach Futter.
» Ich will ihnen beibringen, die Streitwagenszene aus dem Roman Ben Hur nachzustellen«, sagte der Professeur. » Die Ratten werden meine Pferde sein und die Mäuse meine Wagenlenker.«
Lucien wusste nicht, was er sagen sollte, doch dann fiel ihm auf, dass dort tatsächlich sechs kleine Streitwagen auf dem Rundkurs standen.
» Ich werde sie trainieren und mein Schauspiel dann auf dem Place Pigalle vorführen und von den Leuten Geld verlangen, die das Rennen sehen wollen. Vielleicht werden sogar Wetten abgeschlossen.«
» Wetten«, wiederholte Lucien, wobei er versuchte, die Beigeisterung in der Stimme des Professeurs nachzuahmen.
» Man muss sie belohnen, wenn sie tun, was man will. Ich habe es mit Strafen versucht, wenn sie nicht folgen wollten, aber der Hammer scheint ihnen allen Lebensmut zu nehmen.«
Lucien sah sich an, wie der Professeur die Ratte vor einen Wagen spannte, diesen dann abstellte, um aus dem anderen Käfig eine Maus zu nehmen und diese in den Streitwagen zu setzen. Die Maus rannte sofort weg und fing an, nach einem Loch in der Wand zu suchen, von der die Rennbahn eingefasst war. Bald schon liefen überall in der kleinen Arena Ratten und Mäuse herum, und zwei Ratten waren sogar über die Wand geklettert und zerrten ihre Streitwagen um die Wände der Hütte, auf der Suche nach einem Weg ins Freie. Der Professeur forderte Lucien auf, ihm zu helfen, und gemeinsam jagten und fingen sie Rattenpferde und Mäusewagenlenker, bis die beiden japsend über dem kleinen Hippodrom knieten.
» Oh, man hat mich verspottet«, sagte der Professeur. » Hat mich verrückt genannt. Doch wenn mir mein Spektakel gelingt, wird man mich als Genie feiern. Auch ich habe Foucaults Schnecken gegessen, weißt du?«
» Pardon, Monsieur, aber man könnte Sie dennoch verrückt nennen.«
» Hältst du mich denn für verrückt, Lucien?«, fragte der Professeur in demselben schulmeisterlichen Ton, mit dem er auch alle anderen Fragen gestellt hatte.
Glücklicherweise fragte er den Bäckerjungen vom Montmartre– einem Ort, an dem sich Verrückte gern versammelten–, dessen Vater ihn gelehrt hatte, dass große Männer oft exzentrisch waren, unberechenbar und rätselhaft, und dass wir, nur weil wir nicht verstanden, welchen Weg sie wählten, ihre Sichtweise nicht infrage stellen sollten.
» Ich halte Sie für ein Genie, Monsieur, selbst wenn Sie
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