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Verflixtes Blau!

Verflixtes Blau!

Titel: Verflixtes Blau! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Moore
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laut, leise, dass die Lampe umkippt, wild, während Paris in Flammen steht, wieder und wieder, bis uns die Luft ausgeht, so will ich dich.
    Doch er sagte es nicht. Das musste er auch nicht. Sie wusste es sowieso.
    » Welche Pose?«, fragte sie.
    » Ich überlege noch«, sagte er.
    Form. Linie. Licht. Schatten. Er formte die Worte im Stillen wie aus Ton. Form. Linie. Licht. Schatten.
    Als er mit neunzehn Jahren zum ersten Mal ins Atelier Cormon gekommen war und seinen Platz an der Staffelei zwischen den anderen jungen Männern einnahm, hatte der Meister ihnen erklärt: » Seht Form, seht Linie, seht Licht, seht Schatten. Seht Beziehungen der Linien zueinander. Jedes Modell ist eine Sammlung dieser Elemente, kein Körper.«
    Auf ein Zeichen des Meisters hin erklomm eine junge Frau im Morgenrock, die schweigend am Ofen im hinteren Teil des Ateliers gewartet hatte, das Podium und ließ ihr Gewand fallen. Allgemeines Aufstöhnen wurde laut. Die Neuen– wie Lucien– hörten für einen Augenblick gänzlich auf zu atmen. Sie war keine Schönheit. Tatsächlich hätte er ihr in den Kleidern eines einfachen Ladenmädchens vermutlich kaum Beachtung geschenkt, doch da war sie nun, nackt, in einem hell erleuchteten Raum, und er war neunzehn Jahre alt und lebte in einer Stadt, in der Frauen nicht im oberen Stock der Pferdeomnibusse fahren durften, damit man keinen Blick auf ihre Knöchel werfen konnte und somit ihre Sittsamkeit kompromittierte. Es stimmte wohl, er hatte sich eine Wohnung genommen, die nur einen Block von einem amtlich genehmigten Bordell entfernt lag, und die Mädchen tanzten barbusig in den Hinterzimmern der Cabarets, und jeder feine Herr, der etwas auf sich hielt, hatte eine Geliebte aus der demimonde, die er sich in einer Wohnung auf der anderen Seite der Stadt hielt, versteckt hinter einem Augenzwinkern und der selektiven Wahrnehmung seiner Frau. Aber versteckt.
    In dieser ersten Unterrichtsstunde sah er Form, Linie, Licht und Schatten gerade lange genug, um die Zeichnung zu beginnen, doch dann wurde er aus seiner Arbeit gerissen, und zwar von Nippeln! Nein, nicht von den Nippeln, sondern von Nippeln ganz allgemein– der Vorstellung davon–, aber auch von den Nippeln des Modells, und seine Konzentration kollabierte unter einer Kaskade von Bildern und Begierden, die nicht das Geringste mit Kunst zu tun hatten. In der ersten Woche, in der das arme Mädchen posierte, kämpfte Lucien gegen den Drang aufzustehen und zu rufen: » Um Gottes willen, sie ist splitterfasernackt! Denkt denn keiner von euch daran, sie zu vögeln?« Selbstverständlich taten sie das. Sie waren Männer, und sofern sie nicht schwul waren, gelang ihnen etwas Künstlerisches nur, indem sie diese Empfindungen unterdrückten.
    In der zweiten Woche stand ihnen ein alter Mann Modell, der wankend das Podium erklomm, sans Morgenrock, wobei sein baumelnder Hodensack beinahe über den Boden schleifte und sein welkes Hinterteil unter der Last der Jahre zitterte. Seltsamerweise war diese Figur für Lucien leicht als Form, Linie, Licht und Schatten zu begreifen. Und wenn sie dann wieder mit einem weiblichen Modell arbeiteten, musste er nur an den alten Mann denken, was ihn direkt wieder auf den geraden, schmalen Pfad zu Form, Linie, Licht und Schatten führte.
    Sicher, man gestattete sich einen kurzen Moment, sobald sich das Modell entkleidet hatte– Na ja, mit der könnte ich es wohl treiben. Und es stellte sich heraus, dass er es mit so gut wie jeder hätte treiben können, selbst wenn die imaginären Umstände, unter denen sie es treiben könnten, erst noch herzustellen waren. Na gut, einsame Insel, betrunken, eine Stunde, bevor man aufgeknüpft wird, klar, dann könnte ich es mit ihr treiben. Aber so etwas wie Juliette hatte er noch nie erlebt, zumindest nicht als Maler, denn als Mann hatte er sie sehr wohl erlebt, hatte oft genug mit ihr unter einer Decke gesteckt. Tatsächlich waren sie als Jungverliebte geradezu ekstatisch vor Entdeckergeist gewesen, in seiner kleinen Wohnung, im Dunkeln, wenn sie tagelang nicht vor die Tür gingen, in den Wochen, bevor sie ihm das Herz brach.
    Diesmal war es anders. Sie stand da, im hellen Sonnenschein, der durchs Oberlicht hereinfiel, glühte förmlich, so makellos und weiblich wie eine Statue im Louvre, so vollendet, wie nur wahre Schönheit sein kann, eine Göttin, wie nur Männer sie ersinnen können. Na gut, mit der könnte ich es wohl treiben. Wenn mich die Wölfe fressen, kurz bevor ich mir die Mühe

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