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Verflixtes Blau!

Verflixtes Blau!

Titel: Verflixtes Blau! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Moore
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mache, die Wölfe zu vertreiben. Aber nur dann.
    » Was treibst du, Lucien?«, sagte sie. » Mach die Augen auf.«
    » Ich versuche, mir deinen vertrockneten Hodensack vorzustellen«, sagte der Maler.
    » Ich glaube, das hat noch keiner zu mir gesagt.«
    » Baumel, baumel, geht gleich los.«
    » Wo ist denn eigentlich dein Farbenkasten?«
    Lucien schlug die Augen auf, und obwohl er noch nicht so ganz in Licht und Schatten denken konnte, hatte seine Erektion doch merklich nachgelassen. Vielleicht konnte er jetzt arbeiten. Besser als in jenen frühen Tagen bei Cormon, als er gescholten wurde: » Lessard, wieso hast du diesem Modell ein Skrotum gemalt? Das soll die Venus werden, keine Missgeburt aus dem Zirkus.«
    » Sie sagten, sie sei nur Form und Linie.«
    » Meinst du das ernst? Ich bilde hier nur ernsthafte Maler aus.«
    Da trat Toulouse-Lautrec hinter den Meister, richtete sein pince-nez, als müsste er es scharf stellen, und sagte: » Diese Venus scheint mir in aller Ernsthaftigkeit mit einem Skrotum ausgestattet zu sein.«
    » In der Tat«, sagte ihr Freund Émile Bernard und strich über seinen moosigen Bart, » das ist ein Skrotum von ernsthaft beängstigenden Ausmaßen.«
    Und alle schlossen sich der Meinung an, nickten und begutachteten, bis Cormon den Unterricht beendete und aus dem Atelier stürmte, sodass das arme Modell seine Pose aufgab und ihre unteren Körperteile inspizierte, für alle Fälle.
    In diesen Moment sagte Toulouse-Lautrec dann meist: » Monsieur Lessard, Ihr sollt an den Hodensack nur denken, um Euch abzulenken, ohne ihn gleich zu zeichnen. Ich fürchte, der Meister wird nun noch weniger bereit sein, mit uns moderne Kompositionstechniken zu diskutieren. Zum Ausgleich müsst Ihr uns allen einen ausgeben.«
    » Ich werde heute noch nicht anfangen zu malen«, sagte Lucien zu Juliette. » Allein die Zeichnung wird ein paar Tage in Anspruch nehmen.« Er schwenkte eine rote Kreide vor der breiten Leinwand, die auf zwei Stühlen aus der Bäckerei stand, da sie auf keine seiner Staffeleien passte.
    » Das ist eine sehr große Leinwand«, sagte Juliette. Sie legte sich auf die Chaiselongue und stützte sich auf ihren Ellbogen. » Ich hoffe, du hast genug Zeit eingeplant. Wenn ich das Bild ausfüllen soll, werde ich Gebäck brauchen.«
    Lucien blickte zu ihr auf, sah das schelmische Lächeln. Es gefiel ihm, dass sie andeutete, sie wolle bleiben, es gäbe eine Zukunft mit ihr, nachdem sie schon einmal fortgegangen war. Er fühlte sich versucht, ihr das alberne Versprechen zu geben, für sie sorgen zu wollen, wohl wissend, dass er dieses Versprechen nur dann aufrichtig geben konnte, wenn er den Pinsel endgültig weglegte und Brot buk.
    » Monsieur Monet hat mir einmal erklärt, große Gemälde entstehen nur, wenn der Maler auch großen Ehrgeiz entwickelt. Deshalb hält er Das Frühstück im Grünen und Olympia für große Gemälde.«
    » Riesen große Gemälde.« Sie kicherte.
    Es waren tatsächlich große Leinwände. Und Monet hatte es selbst einmal mit einem Frühstück im Grünen versucht, einer riesigen, sieben Meter langen Leinwand, die er quer durch Frankreich schleppte, zusammen mit einem hübschen Modell namens Camille Doncieux, das er aus dem Quartier des Batignolles kannte, und seinem Freund Frédéric Bazille, der für die männlichen Figuren posierte. » Lass deinen Ehrgeiz nur nicht allzu früh zu groß werden, Lucien«, hatte Monet ihm erklärt. » Für den Fall, dass du das Hotel nicht zahlen kannst und dich mitten in der Nacht mit der Leinwand hinausschleichen musst. Camille hat sich fast den Hals gebrochen, als sie mir half, dieses Bild durch die dunklen Straßen von Honfleur zu manövrieren.«
    » Wie gefällt dir das hier?«, sagte Juliette. Sie lehnte sich in die Kissen, nahm die Hände hinter den Kopf und lächelte hintergründig. » Du könntest Goyas Maja -Pose verwenden. Damit hat Manet auch angefangen.«

    » Oh, nein, ma chère«, sagte Lucien. » Manet fuhr erst nach Madrid, um sich Goyas Maja anzusehen, nachdem die Olympia bereits gemalt war. Er hat vorher nicht gewusst, wie sie aussah.« Lucien war mit Père Lessards Vorträgen über berühmte Bilder aufgewachsen. Deren Geschichten waren die Märchen seiner Kindheit.
    » Nicht er, Dummerchen. Das Modell kannte die Pose.«

    Welch zutiefst verstörender Gedanke. Die Olympia sah Goyas nackter Maja bemerkenswert ähnlich, betrachtete den Betrachter, forderte ihn heraus. Außerdem war Manet ganz allgemein ein großer

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