Verflixtes Blau!
Verstehe. Wie Zimmermann oder Böttcher. Aus alter Familientradition? Und Ihr Vorname?«
» Der«, sagte der Farbenmann.
» Sie sind ein ausgesprochen sonderbarer Bursche, Monsieur Farbenmann.«
» Ihr malt Damen ebenso gern wie Äffchen, habe ich recht?«, fragte der Farbenmann mit einer Geste, die ganz und gar nicht danach aussah, als male er.
19
Der dunkle Karpfen von Giverny
M ère Lessard bereitete einen Korb mit Brot und Pasteten vor, den Lucien mit nach Giverny nehmen sollte. »Bestell Madame Monet und den Kindern schöne Grüße von mir«, sagte die Matriarchin, während sie Croissants in ein Nest aus weißen Geschirrtüchern bettete. »Und erinnere Monsieur Monet daran, dass er ein Nichtsnutz ist, aus dem nie etwas werden wird, und dass er bitte in der Bäckerei hereinschauen soll, wenn er nach Paris kommt.«
Régine hielt ihn in der Bäckerei auf und gab ihm einen Kuss auf die Wange. » Ich finde nicht, dass du so bald schon gehen solltest, aber ich bin froh, dass du dich nicht auf die Suche nach dieser schrecklichen Frau machst.«
» Du bist die einzige schreckliche Frau, die ich mir in meinem Leben erlaube, chérie«, sagte er und umarmte seine Schwester.
Es dauerte zwei Stunden mit der Bahn vom Gare de Nord nach Vernon, und während der Fahrt saß Lucien in der Nähe einer jungen Mutter mit ihren beiden kleinen Töchtern, herausgeputzt wie hübsche Püppchen, auf dem Weg nach Rouen. Er skizzierte sie und plauderte und lachte mit ihnen, und Leute, die den Gang entlangkamen, lächelten ihn an und wünschten ihm einen schönen Tag, was er auf seinen magischen Charme zurückführte, den er sich in seiner Zeit mit Juliette im Atelier angeeignet hatte, obwohl es in Wahrheit daran lag, dass sein Korb nach frisch gebackenem Brot roch, worüber sich die Leute freuten.
Vom Bahnhof in Vernon lief er zwei Meilen über Land nach Giverny– eigentlich weniger ein Dorf als vielmehr eine Ansammlung kleiner Bauernhöfe, die rein zufällig am Ufer der Seine kauerten. Monets Haus stand auf einer sonnigen Anhöhe über einem Hain aus hohen Weiden, einst ein Sumpf, den der Maler in einen Wassergarten verwandelt hatte, mit zwei breiten Seerosenteichen und einer geschwungenen, japanischen Brücke.
Das Haus war ein klobiges, zweistöckiges Gebäude, rosa verputzt, mit hellgrünen Fensterläden.
Madame Monet, die noch gar nicht Madame Monet war, empfing Lucien an der Tür.Alice Hoschedé, eine hochgewachsene, elegante Frau, deren dunkler chignon einige graue Strähnen zeigte, war mit einem von Monets Gönnern, einem Bankier, verheiratet gewesen. Seit fünfzehn Jahren war sie nun schon mit dem Maler liiert, aber sie hatten nie geheiratet. Monet hatte auf dem Anwesen der Hoschedés im Süden gelebt und Auftragsarbeiten ausgeführt, als der Bankier plötzlich bankrott ging und seine Familie verließ. Monet und seine Frau Camille luden Alice und ihre vier Kinder ein, zu ihnen und ihren beiden Söhnen zu ziehen. Selbst noch lange nach Camilles Tod, als sie und Monet ein Paar wurden, bestand Alice, eine fromme Katholikin, darauf, die Fassade aufrechtzuerhalten, dass ihre Beziehung rein platonischer Natur sei und sie nach wie vor in getrennten Betten schliefen.
» Die sind verlockend, Lucien«, sagte sie, als sie den Korb mit Backwaren entgegennahm. Eine minderjährige Tochter namens Germaine schaffte sie eilig in die Küche. » Vielleicht können wir sie gemeinsam zu Mittag essen«, sagte Alice. » Claude ist im Garten und malt.«
Sie führte ihn durch das Haus, dessen Diele und Speisezimmer hellgelb gestrichen waren. An fast allen Wänden hingen gerahmte, japanische Drucke von Hokusai und Hiroshige, dazwischen hier und da der eine oder andere Cézanne, Renoir oder Pissarro. Im Vorübergehen warf Lucien einen Blick in den großen Salon, an dessen Wänden vom Boden bis zur Decke Monets eigene Werke hingen, doch Lucien wagte nicht, sich in den Gemälden des Meisters zu verlieren, da Alice bereits auf der hinteren Veranda stand und mit großer Geste den Garten präsentierte, als hieße sie eine gen Himmel gefahrene Seele im Paradies willkommen.
» Ich glaube, heute ist er drüben bei der Brücke.«
Lucien spazierte durch den hinteren Garten, vorbei an reihenweise blühenden Blumen, nicht nur auf der Erde, sondern auch an Spalieren und auf Gestellen. Von Augenhöhe abwärts war alles bunt, mit Rosen und Margeriten und Dahlien, groß wie Suppenteller, alle Farben wild gemischt, sodass es keine allmähliche Abstufung gab,
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