Verflixtes Wolfsgeheul (Verflixte Bücher) (German Edition)
will ich meine Freundinnen Dani und Gusu wiedersehen, will mit ihnen herumalbern und wie früher Unsinn machen. Mehr will ich nicht.
Doch meine Geduld wird auf eine harte Probe gestellt …
Rido hält nicht an, bevor der Bodenjäger von selbst langsamer wird und schließlich nur noch stottert. Als er mich von seiner Schulter lässt, zittern meine Beine so stark, dass ich erst einmal hinabsinke und vor Freude den stinkenden Boden umarme. Rido sagt nichts, aber ich ahne, was er denkt.
Wir nehmen unseren Weg wieder auf und weil ich inzwischen das Regierungsgebäude als einzelnen Backenzahn am Horizont erkennen kann, werde ich ziemlich aufgeregt. Bald bin ich zu Hause!
Rido bleibt zurückhaltend und beobachtet die Umgebung mit Misstrauen. Wir stiefeln an Menschen vorbei, die noch schlimmer aussehen als ich. Mit jedem Schritt nähern wir uns einem Elend, das ich in diesem Maße noch nie gesehen habe: Die Menschen haben sich notdürftige Unterkünfte aus Steinen, Tischen, Regalbrettern und Planen gebaut. Manche legen sich auch im Freien schlafen. An spärlich glimmenden Feuern sitzen sie in Gruppen und wärmen sich ihre Hände. Sie sehen uns an, begierig, als würden wir etwas Essbares in den Taschen tragen. Nur Ridos Statur und seinem grimmigen und deutlich abweisenden Blick ist es vermutlich zu verdanken, dass wir von niemandem angesprochen werden.
Kinder laufen hinter uns her. Einst haben sie Schulen besucht und täglich zu essen bekommen, jetzt ist ihre Kleidung zerfetzt. Sie spielen im Dreck und bauen sich Spielzeuge aus Schutt.
Ich bin entsetzt.
Einen solchen Schaden habe ich mir nicht ausgemalt. Obwohl ich es aus der Luft gesehen habe, begreife ich erst jetzt, in welch einer verzweifelten Lage sich diese Menschen befinden. Alles hat man ihnen genommen, ein einziger, winziger Befehl hat ausgereicht und ihre ganze Existenz ist zerstört. Damit hat die Regierung ihre Macht bewiesen. Die durch Polaritrionsenergie erstellten Häuser sind einfach in sich zusammengefallen. Übrig blieben nur die Tische und Stühle, die Betten und Schränke und die anderen Habseligkeiten, die mit einem Mal nichts mehr wert sind.
„Entferne dich nicht von mir!“ Ridos feine Wolfsnase bewegt sich ständig. „Ich rieche Gefahr! Zeig niemandem, dass du unsicher bist!“
„Bin ich doch nicht!“, flüstere ich mit zittriger Stimme. „Mir wackeln nur die Knie – und das sieht man beim Gehen nicht.“
Drei stämmige Männer versperren uns mit Knüppeln in den Händen den Weg. Dummerweise muss ich nun doch stehen bleiben und jetzt zittere ich sogar am ganzen Körper.
Rido packt mich fest um die Schulter.
„Was wollt ihr von meiner Schwester und mir?“, fragt er mit tiefer, beinahe bedrohlicher Wolfsstimme.
Ich verschlucke mich an meiner eigenen Spucke, als er mich „Schwester“ nennt. Ähnlichkeiten zwischen uns gibt es nur aus einem Kilometer Entfernung oder für blinde Menschen.(2)
„Ihr geht durch unser Gebiet!“, sagt der mittlere Mann. Er hat einen verwilderten Vollbart, der so aussieht, als würde der Typ eine kleine Hecke vor sich her tragen.
„Dann wird unser Weg woanders langführen“, antwortet Rido.
Davon bin ich ziemlich überrascht. Der große Wolf zieht es vor, einen Rückzieher zu machen? Das gibt es?
„Das wird dir nichts nützen!“ Der Vollbärtige grinst und seine beiden Artgenossen schließen sich ihm an. „Es gibt nur noch Banden wie uns rund um den Backenzahn. Nirgendwo kommt ihr durch.“
Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie immer mehr Menschen auf uns zukommen. Bei dieser Menge ist an Flucht kaum zu denken.
„Wir wollen niemanden stören“, sagt Rido. „Meine Schwester Nadine hat Hunger, sie kann sich kaum noch auf den Beinen halten.“
„Dann ist das der falsche Weg!“ Der Bärtige zeigt mit dem Daumen hinter sich auf das Regierungsgebäude. „Es ist auch nichts für uns da, sieh dich doch mal um. Geht zu den Fabriken! Wir haben gehört, dass sie die alten Betriebe aus früherer Zeit in Gang setzen wollen, um Lebensmittel herzustellen.“
„Von da kommen wir gerade“, lügt Rido mit steinhartem Gesicht. „Wir wollen die Regierung zur Rede stellen. Diesen Zustand hier können wir nicht länger dulden!“
Diesmal lachen sogar die anderen Menschen um uns herum. Zu dumm, dass ich den Witz nicht ganz verstehe.
Der Bärtige spuckt auf den Boden. „Glaubst du, Kumpel, dass wir hier ein gemütliches Zeltlager veranstalten? Nein, wir belagern den Backenzahn, wir wollen der Regierung
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