Verflixtes Wolfsgeheul (Verflixte Bücher) (German Edition)
dass es nicht anders geht: Meine Beine sind eingefroren, die Zehen spüre ich gar nicht mehr, alles in mir ist klamm und taub. Rido weiß das, er lässt sich nicht beirren, auch als ich ihm die Ohren volljammere, wie peinlich das für mich sei.
Endlich sehen wir wieder braune Erde. Jetzt geht es auch fast nur noch bergab, dünne Gräser, die langsam zu Wiesen zusammenwachsen, biegen sich im Wind. Wir blicken über die Wälder hinab in Mali’toras Tal. Endlich haben wir es geschafft – genauer gesagt: Rido hat es geschafft! Mit meinen Eisbeinen werde ich sicherlich niemals wieder laufen können.
An einem Gebirgsbach setzt mich Rido auf seiner Lederjacke ab. Ich kann nur untätig zusehen, wie meine Beine wegknicken und ich nichts außer beißender Kälte spüre. Dabei ist es inzwischen ziemlich warm geworden, die Sonne kitzelt auf meiner Haut und ich fühle neuen Mut in mir aufsteigen. Wenn ich je wieder laufen kann, werde ich Mali’tora beweisen, dass ich ihn nicht im Stich gelassen habe.
Rido zieht sein T-Shirt aus, klemmt meine rechte Hand unter meine linke Achselhöhle und mit der anderen Hand verfährt er andersherum. Sein T-Shirt wickelt er so um meine Unterarme, dass ich sie anschließend kaum bewegen kann. Als er sich hinter mich setzt, schießt mir das Blut in den Kopf.
„Was machst du da?“, frage ich irritiert.
„Ich muss dich jetzt auftauen“, klärt er mich auf. „Dabei ist es wichtig, dass dein Körper langsam die Blutzirkulation unterstützt. Passiert das zu schnell, können dauerhafte Schäden die Folge sein.“
„Okay“, sage ich atemlos, als er seine muskulösen Arme um mich schlingt und mich so festhält, dass ich mich kaum rühren kann.
„Dein Herzschlag ist zu schnell. Beruhige dich!“, sagt er ganz dicht an meinem Ohr.
„’kay“, flüstere ich wieder. Noch nie habe ich einem Jungen so in den Armen gelegen und es ist mir peinlich bis zu den Ohrenspitzen.
Ridos Gesicht ist mir so nah. „Sollte ich besser gehen?“
„Nein!“
Ich hätte es beinahe geschrien, kann mich aber zum Glück noch zurückhalten. Ich will nicht, dass er die Umarmung auflöst, auch wenn er mich nur aufwärmen will. Seine Nähe ist für mich so schön, dass ich meinen ganzen Kummer darüber vergesse.
„Entspann dich!“ Rido drückt meinen Kopf an seine Brust und zeigt vor uns auf eine wunderschöne Aussicht über das Tal. Hat er diesen Platz nur deshalb ausgesucht? Wusste er, dass ich diese Ablenkung brauche? Aber auch darauf kann ich mich kaum konzentrieren, immer häufiger kribbelt es in meinem Bauch, als würden Tausende Schmetterlinge dort herumfliegen. Wie soll ich mein Herz dabei nur beruhigen?!
Schweigend sitzen wir auf der Wiese, so still wie ein Felsen, nur der Bach sprudelt lustig herum. Einige Tiere in unserer Nähe bemerken uns nicht einmal, wir beobachten sie still, ohne uns zu rühren. Aber dann fängt das Kribbeln in meinen Oberarmen und Beinen an. Zuerst ist das ja noch zu ertragen, doch dann sticht es stärker, bis es plötzlich wie glühendes Feuer brennt. Es wird so schmerzhaft, dass ich nur noch meine Zähne zusammenbeißen kann.
Rido hält mich fest und ich schwanke zwischen unglaublichem Glück und elendem Kummer. „Wenn du das spürst, ist noch nichts verloren!“, sagt er gelassen.
„Nichts verloren?“, japse ich verzweifelt. „Ich sterbe hier! Ich verglühe bei lebendigem Leib! Und du schaust einfach zu und sagst, ich solle mir keine Sorgen machen?“
„Es war richtig erholsam, als du geschlafen hast“, brummt Rido leise, aber ich höre ein Lachen in seiner Stimme.
„Waaas?“
Ich versuche, mich von ihm zu befreien, bekomme aber nicht einmal meine Hände frei. Er hat genau gewusst, was auf mich zukommt!
„Wenn ich wieder laufen kann, dann bin ich schneller weg von dir, als du denken kannst!“
„Das ist gut“, erwidert Rido.
„Du nutzt das schamlos aus, dass ich mich nicht wehren kann!“ Ich beiße die Zähne zusammen, denn der Schmerz wird noch viel schlimmer, er brennt mir fast die Seele aus dem Leib.
„Natürlich.“ Rido grinst jetzt äußerst frech. „Die Gelegenheit kommt so schnell nicht wieder.“
„Mach dich darauf gefasst, dass ich es dir zurückzahle! Oh, verflixt!“ Jetzt halte ich es nicht mehr aus. Ich presse die Augen zusammen, bevor ein ganzer Sturzbach herausfließt. Sagen kann ich auch nichts mehr, denn nun kann ich nur noch die Zähne aufeinanderpressen.
Es vergeht eine lange Zeit, in der wir so nutzlos auf der Erde
Weitere Kostenlose Bücher