Verflucht, gehängt und doch lebendig
es damit auf sich hatte, denn die dunkle Brille hatte alles verdeckt.
Natürlich bauten sich da Vermutungen auf. Es gab Schreiber, die davon ausgingen, daß es keine normalen Augen waren. Die hatten nichts Menschliches an sich, die waren eben anders. Er konnte nicht genau erklären, wie sie waren, aber die Vermutungen reichten von einem Blinden bis zu künstlichen Augen.
Schlauer war ich nicht geworden. Ich stand wieder auf und blickte mich noch einmal um.
Neben dem Bett stand noch ein kleines Schränkchen, eine Nachtkonsole. Ich zog ihre beiden Schubladen auf und mußte feststellen, daß sie keine Papiere enthielten, die uns weitergebracht hätten. Sie waren einfach nur leer.
»Haben Sie gefunden, was Sie suchten, Mr. Sinclair?« wollte die Witwe wissen. Sie war nahe der Tür stehengeblieben und hatte mich nicht aus den Augen gelassen.
»Nein – oder ja.«
»Das ist aber eine komische Antwort.«
»Ich hatte geglaubt, einen Hinweis zu finden, aber dazu ist es leider nicht gekommen.«
»Da kann ich Ihnen auch nicht helfen.«
»Sie haben mir trotzdem geholfen. Ohne Ihre Hilfe hätte ich die Berichte nicht lesen können.«
»Waren sie denn so wichtig?«
»Das glaube ich.«
Sie wurde etwas verlegen und drehte ihre Hände. »Sie können sich vorstellen, Mr. Sinclair, daß die Menschen hier und auch ich beunruhigt sind. Ein Mord ist nicht gut für unser Image. Da bleiben die Touristen weg und die Zimmer leer. Besonders, wenn es um einen Täter geht, der ja schon lange tot ist. Wir lesen schließlich auch Zeitungen, Mr. Sinclair, und sind über die Spekulationen informiert.«
»Alles klar.«
»Gehen Sie wieder?«
»Ja.«
»Und dann?«
»Ich habe einen Job zu erledigen, Mrs. Tremaine. Dieser Mörder muß gestellt werden.«
Sie nickte heftig. »Ja, tun Sie das. Tun Sie es bitte so schnell wie möglich. Schon im Namen aller Menschen, die hier leben. Wir wollen unser Leben ohne Angst verbringen. Es hat uns schon gereicht, daß früher in Dartmoor viele Menschen starben. Jetzt ist es nur noch Erinnerung. Ich hoffe, daß es auch so bleibt.«
»Das glaube ich schon.«
Wir gingen die schmale Treppe nach unten. Die Witwe fragte mich, ob ich wüßte, wo sich der Reporter aufhielte. »Im Moment nicht.«
»Er wollte nach Dartmoor«, murmelte sie. »Das wissen Sie?«
»Ja, er hat davon gesprochen. Er war davon überzeugt, daß er dort die Rätsel lösen konnte, obwohl ja niemand mehr einsitzt. Aber davon konnte ich ihn nicht abbringen.«
»Das ist auch nicht Ihr Job, Mrs. Tremaine. Wir werden uns sicherlich noch einmal sehen.«
»Ja, würde mich freuen.«
Ich verließ die Frau mit keinem guten Gewissen und einem drückenden Gefühl in der Magengegend. Ich wollte zurück zu Fletcher und Bill, um mit ihnen die weiteren Vorgänge zu besprechen. Die Stunde der Entscheidung stand dicht bevor. Das spürte ich mit jeder Faser meines Körpers. Und der Himmel über mir war noch grauer geworden. Kein gutes Omen…
***
»Gibt es hier auch etwas Nichtalkoholisches zu trinken?« erkundigte sich der Reporter.
»Wasser. Im Kühlschrank.«
»Danke.«
Bill bewegte sich. Er blickte auf die Uhr. Allmählich wurde es Zeit, daß sein Freund John Sinclair zurückkehrte. Er war schon ziemlich lange weg, was einerseits positiv, andererseits negativ bewertet werden konnte. Da mußte sich der Reporter einfach überraschen lassen.
Tatsächlich fand er eine volle Flasche Mineralwasser im Kühlschrank.
Bill drehte den Verschluß auf und lauschte dem Zischen.
Auf ein Glas verzichtete er und trank direkt aus der Flasche. Das Zeug gurgelte in seine Kehle. Das Wasser war stark kohlesäurehaltig und brannte regelrecht in seiner Kehle. Es erfrischte ihn trotzdem. Bill trank noch einen zweiten Schluck, stellte die Flasche wieder weg, schloß den Kühlschrank und wunderte sich darüber, wie still es plötzlich in der Küche war.
Zu still.
Kalt rann der Schauer über seinen Körper. Er sah nichts, aber er spürte etwas. Die Veränderung bewegte sich auf ihn zu, sie war wie ein schleichendes Gift, und als er dann den Kopf nach rechts drehte, fiel sein Blick auf Dean Fletcher.
Der saß noch immer auf seinem Stuhl. Nichts Besonderes, nur etwas an seiner Haltung stimmte nicht. Er hatte sich dem Fenster zugedreht und war sehr starr geworden. Auch seine Augen bewegten sich nicht. Der Blick zeigte nur in eine bestimmte Richtung.
Bill wußte, daß sich dort etwas tat. Er konnte es nicht sehen, weil er in einem zu schlechten Winkel zur Scheibe
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