Verflucht in Alle Ewigkeit
Sterblichen«, sagte Aeternos so leise, dass seine Stimme gegen das Plätschern des Wassers kaum zu verstehen war. »Wie Blätter, die vom Fluss davongetragen werden. Sie können die Zeit nicht aufhalten, schwimmen auf ihrer Strömung, bis sie untergehen. Die Lu'cen hingegen stehen am Rand der Zeit, so wie wir am Ufer dieses Flusses stehen. Wir existieren außerhalb dessen, was du Raum und Zeit nennst, Torn. Wir haben den Preis errungen.«
»Den Preis?«
»Die Belohnung, die auf alle sterblichen Kreaturen wartet, wenn sie Vervollkommnung erlangen«, erläuterte der Meister. »Zeit und Raum haben für uns keine Bedeutung mehr. So, wie ich diesen Fluss an jeder beliebigen Stelle durchwaten kann, können wir von unserer Dimension aus die Zeit durchschreiten.«
»Das heißt – ihr könnt zurück in die Vergangenheit gehen?«
»Vergangenheit und Zukunft existieren nicht für uns. Es ist nur der Fluss an sich, der existiert.«
»Du weißt, was ich meine«, beharrte Torn. »Ihr könntet es tun?«
»Wir könnten es tun, ja«, bestätigte Aeternos, »aber in deiner Welt wären uns die Hände gebunden. Wir könnten nichts unternehmen gegen die Grah'tak und ihre Scheußlichkeiten. Der Preis verbietet es uns. Wir können euch in eurer Welt erscheinen, können versuchen, euch zu beeinflussen – aber wir können nicht in euer Schicksal eingreifen.«
»So wie du mir erschienen bist«, vermutete Torn.
»Du lernst schnell«, sagte der Alten anerkennend. »Nun lerne die nächste Lektion.«
Er nahm einen Stein vom Boden auf und warf ihn ins Wasser. Der Stein ging sofort unter, schlug für einen kurzen Moment kleine Wellen, die von der Strömung davongetragen wurden.
»Jedes Ereignis, das im Zeitablauf geschieht, hat Folgen«, erklärte Aeternos. »Manche davon werden sofort wieder beseitigt. Andere« – er deutete auf einen großen Felsbrocken, der aus der Mitte des flachen Flussbetts ragte und das gischtende Wasser teilte »verändern den Lauf der Zeit. Die Grah'tak haben nichts anderes getan, als solche Steine in den Fluss zu werfen, um allmählich seinen Lauf zu verändern. Immer wieder haben sie in eure Geschichte eingegriffen, um sie nach ihren Plänen zu manipulieren.«
Torn schnaubte. »Krieg«, knurrte er bitter. »Hass und Gier nach Macht. ich schätze, die Menschen waren leichte Opfer.«
»Nicht so leicht, wie du denken magst! Die Grah'tak trafen immer stets auf Widerstand – Philosophen und Gelehrte, Religionsstifter, die um die Mächte des Guten wussten und ihnen die Stirn boten. Es dauerte mehr als dreißigtausend Jahre eurer Zeit, bis die Grah'tak ihr Ziel erreichten.«
»Aber die Vergangenheit«, sagte Torn vorsichtig. »Wenn die Möglichkeit besteht, in der Zeit zurückzugehen, kann man dann nicht verhindern, was geschehen ist?«
Aeternos lächelte. »Sieh auf das Wasser, Torn. Es ist unbeständig, verändert unablässig seine Form. Ebenso ist es mit der Zeit. Manche Dinge, die sich ereignen, haben eine Auswirkung auf die Zukunft, andere nicht. In vielerlei Hinsicht korrigiert die Zeit sich selbst – wie der Fluss, der seinen eigenen Weg im Flussbett findet. Doch als du die Dimensionsbarriere durchbrochen hast, wurden die Grah'tak in die Welt der Sterblichen entlassen. Sie haben einen Damm gebaut, an dem das Wasser nicht vorbei kann. Es staut sich und ertränkt alles, was an seinen Ufern lebt.«
»Das Ende der Zeit«, erkannte Torn atemlos. »Der jüngste Tag.«
»Viele Prophezeiungen eurer Kultur berichteten davon«, nickte Aeternos.
»Weise Männer haben das Wirken des Bösen in eurer Welt schon früh erkannt.
Leider wurden sie nicht gehört.«
»Aber es gibt noch einen Ausweg?«, fragte Torn und blickte den alten Mann voll vager Hoffnung an.
»Einen Ausweg würde ich es nicht nennen«, entgegnete Aeternos ausweichend. »Eher einen Weg der Verzweiflung, und nur du kannst ihn beschreiten.«
»Welchen Weg?«
»Den Weg zurück in die Vergangenheit«, erklärte Aeternos. »Wie die Zeit ist auch das Kontinuum in ständiger Bewegung. Für alle Äonen erfolgt eine Phase, in der die Welten des Kontinuums einander so nahe sind, dass die Grah'tak von ihrer Welt in eine andere wechseln können. Solange diese Phase andauert, kann der Wechsel auch wieder rückgängig gemacht, der Damm durchbrochen werden. Dann wird die Zeit fortfahren, und die Grah'tak werden in ihre Dimension zurückgebannt werden. Denn sie sind die Feinde der Zeit, die Feinde des Lebens und der Evolution. Wo sie sind, herrscht Stasis.
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