Verflucht seist du: Kommissar Dühnforts fünfter Fall (German Edition)
Körpers, jede Pore ihrer Haut, jeder Gedanke in ihr weigerte sich, das zu glauben. Sie hatte sich gerächt, hatte ihn erschossen, abgeknallt, ja, das hatte sie, und es hatte sich gut und absolut richtig angefühlt. Er hatte Isa gequält und gedemütigt, er hatte ihr den Todesstoß versetzt. Er war es, der ihr das Messer in die Hand gedrückt und es geführt hatte, als sie sich die Pulsadern aufschnitt. Er hatte es verdient! Doch Daniel war nicht Sascha! Nicht er hatte es verdient. Saskia!
»Er hat damit bestätigt, was Sie schon all die Monate vermutet haben«, sagte Dühnfort.
Sie schreckte aus ihren Gedanken hoch. »Was?«
»Daniel kannte den Kosenamen. Er musste Sascha sein. Das hatten Sie schon die ganze Zeit vermutet?«
Sie nickte.
»Woher kannten Sie den Namen?«, fragte Dühnfort.
»Aus Isas Tagebuch. Sie hat geschrieben, dass niemand außer ihr und Sascha das wusste. Woher kannte Daniel ihn, wenn er nicht Sascha war? Woher?«
Die Polizistin mischte sich ein, wie hieß sie noch gleich? Tessmann. Kirsten Tessmann. Sie sah von ihrem Block auf, auf dem sie sich Notizen gemacht hatte, obwohl das Band lief, jedes ihrer Worte aufgezeichnet und dokumentiert wurde. »Ich nehme an, dass Isa Mika davon erzählt hat. Sie waren beste Freundinnen. Hatten Sie denn nie eine beste Freundin, der Sie alles anvertrauten? Alles. Auch, was eigentlich ein Geheimnis bleiben sollte.«
Sie schüttelte den Kopf. Eine beste Freundin? Vielleicht im Kindergarten und dann noch in der Grundschule. Freundinnen schon. Sie waren eine Clique gewesen von fünf oder sechs Mädchen. Doch ihre intimsten Gedanken und Geheimnisse hatte sie nie jemandem erzählt. Nicht mal Stefan. Man musste nicht alles ausbreiten. Sie war schon immer eine gewesen, die die Dinge mit sich abmachte.
»Mika wird mit Daniel darüber gesprochen haben«, sagte Kirsten Tessmann. Ihre Stimme war ruhig und eindringlich, frei von Anklage, und das tat Marlis gut. Man überschüttete sie nicht mit Vorwürfen, man versuchte sie zu verstehen. »Er war ihr Freund. Die beiden waren ein Paar. Und Mika war so froh, dass Isa sich verliebt hatte. Ganz sicher wird sie sich mit Daniel darüber unterhalten haben und hat dabei den Kosenamen erwähnt, den Isa ihr anvertraut hatte. Haben Sie ihn denn nicht gefragt, woher er den Namen kannte?«
»Doch, schon.« Wie hast du sie genannt? Daniel hatte ihre Frage nicht verstanden. Ob akustisch oder inhaltlich, wusste sie nicht. Was denn? Sie hatte sofort das Thema gewechselt, war auf die Bremsbeläge zu sprechen gekommen, hatte ihm vorgeworfen, verantwortungslos zu sein, und so einen Streit vom Zaun gebrochen, während sie gleichzeitig wusste, was sie tun würde. Ihr war klar, dass sie ihm nicht zeigen durfte, dass sie ihn enttarnt hatte.
»Und was hat er geantwortet?«
»Nichts. Er hat meine Frage nicht verstanden, und ich habe sie nicht wiederholt.«
»Sie sind also mit der Gewissheit nach Hause gefahren, Daniel sei Sascha. Und Sascha sollte zur Rechenschaft gezogen werden. War die Ruger zu diesem Zeitpunkt schon in Ihrem Besitz?«
Natürlich wollten sie es ganz genau wissen. Doch sie war so müde, sie wollte zur Ruhe kommen, sie würde das jetzt beenden. »Ich wusste, dass Daniel oft ins Hachinger Eck ging, ich kannte seinen Heimweg und habe mir die Baustelle ausgesucht, um ihn … um ihn zur Rechenschaft zu ziehen. Ich habe dort auf ihn gewartet. Als er kam, habe ich nach ihm gerufen. Ich habe ihn … ja, ich habe ihn erschossen. Es tut mir leid. Morgen beantworte ich alle Fragen, die Sie noch haben. Aber jetzt will ich schlafen. Ich bin müde.«
Dühnfort nickte. »Ich lasse Sie in die Zelle bringen. Brauchen Sie noch etwas? Soll ich jemanden informieren, oder wollen Sie jemanden anrufen?«
»Nicht nötig. Danke.« Es gab niemanden mehr, mit dem sie reden wollte. Zwei Polizisten kamen herein. Junge Kerle, mit unreiner Haut und zu weiten Hosen. Obwohl er mit gedämpfter Stimme sprach, hörte sie, wie Dühnfort zu den beiden sagte, dass man regelmäßig nach ihr sehen sollte. Er befürchtete, sie könnte sich etwas antun. Er war ein einfühlsamer Mensch. Sein Blick traf ihren.
»Es tut mir leid.« Und das meinte sie so. »Ich habe alles falsch gemacht.«
Die Polizisten nahmen sie in ihre Mitte. Leise schloss sich die Tür hinter ihnen. Kaltes Neonlicht erhellte den Flur. Ihre Schritte hallten nach. Sie hatte sich gegen ihn gestellt. Gegen Stefan. Ihren Mann.
Ach, dürft ich fassen und halten ihn, und küssen ihn, so wie ich
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