Verflucht seist du: Kommissar Dühnforts fünfter Fall (German Edition)
wollt, an seinen Küssen vergehen sollt!
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Ich habe alles falsch gemacht. So lauteten auch die letzten Worte im Abschiedsbrief von Stefan Schäfer. Dühnfort sah Marlis Schäfer nach. Sie ging zwischen den beiden Kollegen, die sie zur Zelle brachten. Die Tür schloss sich hinter ihr. Er suchte seine Sachen zusammen. Kirsten massierte sich die Schulter. Sie sah müde aus. Es war spät. Er wollte nach Hause. Zu Gina, die vermutlich auf ihn wartete und dabei auf dem Sofa eingeschlafen war. Schon kurz nach elf. Im Präsidium war es ruhig.
Kirsten ließ den Arm sinken und streckte den Rücken durch. »Wie überheblich kann man nur sein, und dabei noch so dumm. Sie ist keinen Deut besser als Mikas Mutter, die beiden sind aus demselben Holz geschnitzt. Eine Müttermafia. Blasierte, eingebildete, egozentrische Weiber und kein Hirn im Kopf!«
Ich habe alles falsch gemacht. Dieser Satz hallte in ihm nach, beunruhigte ihn. Sie hatte ihre Tochter verloren und ihren Mann. Sie hatte einen Menschen getötet und dabei einen schrecklichen Fehler begangen. Sie hatte allen Grund, Schluss zu machen. Doch so billig würde sie nicht davonkommen. Man würde auf sie achten, ihr alles wegnehmen, womit sie sich selbst gefährden konnte, und jede halbe Stunde nach ihr sehen. Sie würde zu ihrer Tat stehen müssen, die Konsequenzen tragen. Kein Grund, sich Sorgen zu machen.
Kirstens Ausbruch überraschte ihn. Er passte nicht zu ihr. Besser gesagt, nicht zu dem Bild, das er sich bisher von ihr gemacht hatte. »Rache ist ein starkes Motiv. Und ein egoistisches.«
»Was willst du damit sagen?«
»Sie engt das Blickfeld ein und blendet andere aus. Wenn Mikas Mutter auch nur eine Minute darüber nachgedacht hätte, dass sie mit ihrer Rache Isa in den Tod treiben könnte, hätte sie sich nie und nimmer als Sascha ausgegeben. Wenn Marlis Schäfer Zweifel zugelassen hätte, würde Daniel noch leben. Und ihr Mann auch. Sie haben beide nicht gewollt, was sie angerichtet haben. Zumindest Saskia Eckel nicht.«
Und Marlis Schäfer auch nicht. Jedenfalls nicht den Selbstmord ihres Mannes. Sie hatte wirklich alles falsch gemacht.
Er verabschiedete sich von Kirsten und ging in sein Büro. Zwei Mails waren noch zu beantworten. Aus der Ferne klang das leise Summen der Sommernacht durchs offene Fenster. Und aus der Nähe das Martinshorn eines Rettungswagens. Buchholz hatte seinen Bericht bereits in der elektronischen Akte hinterlegt. In den nächsten Tagen würden sie den Fall abschließen.
Wenn die Gegenüberstellung vorüber war und Marlis Schäfer ihre Aussage gemacht hatte, war nur noch der Schlussbericht zu schreiben.
Er wollte den Rechner schon ausschalten, als ihm noch etwas einfiel. Das gemeinsame Grillen und Segeln. Das Wetter würde sich noch halten. Er schickte Alois und Kirsten eine Mail und lud sie ein, den Sonntag mit ihm und Gina am Starnberger See zu verbringen. Bei dieser Gelegenheit könnte endlich sein Boot umgetauft werden. Das plante er, seit er es gekauft hatte. Sissi hatte ihm von Anfang an nicht gefallen. Er wollte es Ikarus nennen. Doch auch davor schreckte er zurück. Diese Idee hatte ihm kein Glück gebracht. An dem Tag, als er sie hatte, war er über Bord gegangen und beinahe ertrunken. Ein neuer Name musste her. Doch nicht heute. Er fuhr den Rechner runter, schaltete die Pavoni aus und ging den Flur entlang durch die dritte Etage, vorbei an dem Kaffeeautomaten, der untrinkbare Plörre ausspuckte. Die Flurfenster waren noch offen, die Putzkolonne also noch nicht durch. Aus dem Innenhof drang gedämpfte Unruhe nach oben. Eine surrende Nervosität. Beunruhigt blieb er stehen und sah hinunter. Ein Rettungswagen stand im Hof. Auf dem Pflaster direkt neben dem Eingangsportal lag eine Gestalt, der Notarzt beugte sich darüber. Verrenkte Gliedmaßen, ein verrutschter türkisfarbener Rock.
Merde! Mist! Verdammte Scheiße!
Dühnfort spurtete die drei Etagen hinunter, nahm immer mehrere Stufen auf einmal. Als ob jetzt noch etwas zu retten wäre! Wie hatte das passieren können? Waren hier denn lauter Idioten unterwegs!
Er erreichte den Hof, drängte sich an den Kollegen vorbei und erkannte, dass er recht hatte. Marlis Schäfer lag auf dem Pflaster. Der Schädel war zertrümmert. Sie musste aus großer Höhe gesprungen sein. Noch aus dem dritten Stock. Bei dieser verdammten Hitze standen die Fenster seit Wochen offen und wurden nur nachts von der Putzkolonne geschlossen.
Dühnfort atmete durch, um sich zu beruhigen. Der Notarzt
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