Verfolgt im Mondlicht
gesagt hatte, und sie nahm stark an, dass ihre Standpauke auch noch folgen würde.
Sobald sich die Tür hinter Burnett und ihrem Stiefvater geschlossen hatte, drehte sich Kylie um, in der Absicht, sich Lucas in die Arme zu werfen. Sie brauchte jetzt dringend ein bisschen Zuwendung – eine Schulter zum Anlehnen. Aber Lucas war weg. Sie schaute sich um und sah, wie er gerade zurück in den Speisesaal ging – wahrscheinlich zurück zu seinem Rudel. Um Gottes willen, am Ende könnte sein Rudel noch glauben, dass er bei dem Streit nicht nur aus Hilfsbereitschaft eingeschritten war, sondern dass er tatsächlich etwas für Kylie empfand.
Richtig oder falsch, ihr brach es das Herz. Derek jedenfalls war an ihrer Seite. Ihre Augen brannten, und sie hatte einen Kloß im Hals. Im nächsten Moment fand sie sich in Dereks Armen wieder. Warme, starke Arme, die so gut darin waren, sie zu halten und ihr Trost zu spenden.
Es war falsch. So falsch. Sie musste damit aufhören. Sie durfte sich nicht immer auf Derek verlassen.
»Hör auf, dich schuldig zu fühlen«, flüsterte ihr Derek ins Ohr, der offensichtlich ihre Emotionen gelesen hatte. »Ich bin nur ein Freund, der einem Freund hilft.«
Nein, dachte sie. Er war ein Freund, der mal mehr als ein Freund war, ein Freund, der ihr gesagt hatte, dass er sie liebte und mehr sein wollte. Er war jemand, mit dem sie sich manchmal auch noch vorstellen konnte, mehr zu haben – jemand, den sie jederzeit um Hilfe bitten konnte. Und trotzdem waren es nicht seine Arme, nach denen sie sich sehnte; er war es nicht, der sie halten sollte.
Nach einer Weile trat Holiday auf die Veranda und winkte Kylie zu sich. Na super , dachte Kylie. Jetzt war wohl sie an der Reihe. Sie sah ein, dass sie es verdiente, also straffte sie die Schultern und stellte sich ihrer Bestrafung.
Doch Holiday sah nicht so aus, als wollte sie sie bestrafen. Sobald Kylie auf der Veranda ankam, umarmte Holiday sie. »Bitte, bitte, sag mir, dass du okay bist.«
»Ich bin okay«, log Kylie.
Holiday seufzte erleichtert auf. »Du hast mich zu Tode erschreckt. Was …?«
Kylie sah in Holidays grünen Augen so viel Zuneigung und Sorge, dass ihr das Herz aufging. »Ich hab mich auch zu Tode erschreckt. Ich … bin einfach verschwunden. Ich konnte dich noch sehen und hören, aber du wusstest nicht, dass ich da war. Ich … hab einfach ›puff‹ gemacht.« Wie mein Großvater und meine Großtante.
Holiday berührte Kylie am Oberarm, um sie zu beruhigen. »Okay, wir müssen dringend darüber reden und der Sache auf den Grund gehen. Aber zuerst müssen wir uns noch um deine Eltern kümmern.«
In Kylie dämmerte die Gewissheit, dass Holiday ihr diesmal nicht helfen konnte, die Sache zu verstehen, so sehr sie sich auch bemühte. Kylie brauchte dafür ihren Großvater und ihre Großtante. Ein Chamäleon kann nicht allein überleben. Komm mit uns. Wir helfen dir, alles zu verstehen.
Als sie merkte, dass Holiday sie musterte, platzte Kylie heraus: »Ich hab schlimme Sachen gesagt. Aber ich hasse John.«
»Na ja, falls es dich tröstet, gerade kann ich ihn auch nicht wirklich leiden.« Holiday legte Kylie die Hände auf die Schultern. »Los, geh und rede mit ihnen. Ich glaube, sie sind sich alle einig, dass sie sich falsch verhalten haben. Dein Dad ist in meinem Büro und deine Mom und John sind im Besprechungszimmer. Meinst du, du schaffst das?«
Kylie nickte.
Als sie gerade gehen wollte, zog Holiday sie noch einmal in ihre Arme. »Es wird alles gut werden. Wir werden das Rätsel schon lösen.«
Wenn sie nur recht hätte.
Kylie ging zuerst in Holidays Büro. Ihr Dad stand vom Sofa auf und ging auf sie zu. Er sah sie reuevoll an, schien aber vor allem traurig zu sein. Sehr traurig.
»Es tut mir so leid, Kleines. Ich hab mich wie ein Idiot benommen. Das wird nie wieder passieren, ich verspreche es dir.«
Kylie nickte. »Es ist irgendwie alles aus dem Ruder gelaufen.«
Er nickte. »Aber es war nicht alles umsonst. Dadurch wurde ich gezwungen, mich der Wirklichkeit zu stellen. Das hab ich gebraucht.«
Zitterte seine Stimme tatsächlich, oder bildete sie sich das nur ein? »Was denn für eine Wirklichkeit?«
»Ich werde in die Scheidung einwilligen. Deine Mom will es so, dann soll sie es auch haben.«
Ihr Dad sah so besiegt aus, wie sie es noch nie bei einem Menschen gesehen hatte. Ihr fiel ein Wort dazu ein: gebrochen. Er war ein gebrochener Mann. Ihn so verletzt zu sehen, tat Kylie furchtbar weh.
»Dad, ich glaube,
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