Verfolgt im Mondlicht
damit gerechnet, dass du am Ende eine von uns bist.«
»Ihr habt echt darum gewettet, was ich bin?«, fragte Kylie entrüstet.
»Ein paar von den Hexern haben damit angefangen.« Miranda runzelte die Stirn. »Tut mir leid. Wenn es dich beruhigt, ich hab fünf Mäuse verloren.«
Kylie schüttelte ungläubig den Kopf. Es war ja nicht so, dass es nur die Hexen-Gruppe war, die so reagiert hatte. Alle Anwesenden im Speisesaal hatten ihr Rührei und den Bacon keines Blickes gewürdigt, sondern nur auf Kylies frisch verändertes Gehirnmuster gestarrt. Zumindest bis Della – die manchmal doch nicht so kaltherzig war, wie sie immer tat – eingegriffen hatte.
Ihre Vampirfreundin hatte sich bestimmt zwei Meter in die Luft geschwungen und war mit einem lauten Krachen auf dem Tisch gelandet – inmitten von Tabletts mit Essen. Dann verkündete Della mit lauter Stimme, dass Kylie gerade einen Zauberspruch aufgesagt hatte, der jeden, der weiter auf ihre Stirn gaffte, in eine adipöse Gans verwandeln würde.
Natürlich war das glatt gelogen. Seit Kylie den herzförmigen Briefbeschwerer durchs Büro hatte sausen lassen, war sie supervorsichtig mit ihrem kleinen Finger. Was gar nicht so einfach war, wenn man versuchte, viel zu flüssiges Rührei mit der Gabel zu essen. Doch Kylie war fest entschlossen, dass ihre beiden kleinen Finger außer Dienst waren, bis sie das mit dem Hexen einigermaßen raus hatte.
Kylie blieb vor dem Büro stehen und überlegte, ob sie schnell reinspringen und Holiday fragen sollte, ob sie noch mit ihrem Stiefvater telefoniert hatte. Die beiden verpassten sich im Moment ständig. Kylie hätte auch gern Burnett nach Malcolm Summers, ihrem leiblichen Großvater, gefragt.
Er hatte Burnett gesagt, dass er morgen kommen würde, doch wie die Chancen jetzt standen, wo er telefonisch nicht mehr erreichbar war und spurlos verschwunden zu sein schien, wusste sie nicht. Kylie hatte den Verdacht, dass es vielleicht mit Burnetts Verbindung zur FRU zu tun haben könnte. Oder aber, sie war ihm einfach egal. Immerhin hatte er nicht einmal seinen eigenen Sohn, ihren Vater, gekannt.
Der Gedanke schmerzte, doch dann realisierte Kylie, dass es keinen Sinn ergab. Wieso hätten ihr Großvater und ihre Tante sonst ins Camp kommen und so tun sollen, als wären sie die Adoptiveltern ihres Vaters? Allerdings verstärkte die Tatsache, dass sie als Menschen getarnt gekommen waren, den Verdacht, dass sie jemandem im Shadow Falls Camp nicht vertrauten. Und dieser jemand war mit großer Wahrscheinlichkeit Burnett – aufgrund seiner Verbindung zur FRU.
»Della ist doch die Beste, oder?«, fragte Miranda und holte Kylie damit aus ihren Grübeleien. »Sie kann einen echt nerven, aber wenn es darum geht, uns zu beschützen, ist sie sofort zur Stelle.« Sie kicherte. »Ich wette, sie ist heute Morgen einigen Leuten ins Rührei getreten.«
»Ja, das stimmt. Sie ist wirklich toll.« Auch wenn der Plan nach hinten losgegangen war.
»Aber mal im Ernst, eine adipöse Gans? Wie kommt sie immer auf so Sachen?«
»Wenn ich das wüsste«, murmelte Kylie. Ehrlich gesagt, wusste Kylie nicht einmal genau, was adipös bedeutete. Jetzt hatte sie nicht nur ein neues Wort gelernt, das sie noch nachschlagen musste, sondern auch noch eine andere wichtige Lektion: Von allen angestarrt zu werden, war nicht viel schlimmer, als von niemandem angeschaut zu werden. Denn nach Dellas eindrucksvoll dargebotener Warnung wagte kein Einziger im Speisesaal mehr, sie auch nur für einen kurzen Moment anzuschauen. Adipös musste was echt Schlimmes sein. Oder es klang zumindest so, und die anderen hatten auch keinen Plan, was es bedeutete.
»Das ist echt so cool, dass du auch eine Hexe bist!« Miranda rieb sich freudig die Hände.
Kylie wünschte, sie hätte Mirandas Optimismus. »Ich glaube immer noch nicht dran. Mir ist es egal, dass selbst Holiday es glaubt«, erwiderte Kylie und fügte hinzu: »Du weißt schon, dass es sich wieder verändern kann, oder? Mein Muster war vor kurzem noch menschlich und jetzt …« Außerdem hatte ihr Dad gesagt, sie wäre ein Chamäleon. Und sie glaubte ihm.
»Aber es ist das erste Mal, dass du ein echtes übernatürliches Muster zeigst. Also ist es wahrscheinlich echt.« Ihre Hexenfreundin war ganz begeistert. »Bist du nicht tierisch aufgeregt?«
Um Miranda einen Gefallen zu tun, rang sich Kylie ein Lächeln ab. Doch da fiel ihr plötzlich ein gewisser Werwolf ein.
»Ich frag mich, wo Lucas heute beim Frühstück war«,
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