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Verfolgt

Verfolgt

Titel: Verfolgt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ally Kennen
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ermahne ich mich, aber es gelingt mir nicht. Ich komme mir vor wie in einem |52| dieser kranken Horrorfilme ab 18.   Gleich springt jemand aus einer finsteren Ecke und bringt mich auf eine ganz scheußliche Art und Weise um. Ich muss hier raus. Sofort. Ich mache einen Schritt auf das Fenster zu, da verliere ich das Gleichgewicht. Ich stecke mit dem Fuß in den morschen Dielen fest.
    Und dann bricht plötzlich der Boden unter mir ein und ich stürze in die Tiefe. Ich breite noch die Arme aus, kann mich aber nirgends festhalten. Um mich ist es stockdunkel und einen Augenblick lang totenstill – dann platscht es und eiskaltes Wasser schlägt über mir zusammen. In Todesangst schlage ich um mich, aber ich gehe unter. Ich bin durch den Fußboden in tiefes, pechschwarzes Wasser gestürzt und will schreien   … aber ich bekomme keine Luft und weiß nicht mehr, wo oben und unten ist, wo es an die Oberfläche geht. Ich erfriere. Ich kann nichts sehen. Luft   …!

|53| IM KELLER
    Ich strample und paddle in der eiskalten stinkenden Brühe und komme nicht heraus. Ich klappere wie irre mit den Zähnen, mir war noch nie im Leben so kalt und ich habe Schiss, total Schiss. Ich will nicht durchdrehen, aber es fällt mir schwer. Dass mich hier niemand suchen wird, ist mir klar. Wie auch. Wenn ich, was ich am liebsten machen würde, anfange zu schreien und zu heulen, verschwende ich bloß meine Kraft. Wenn mich nicht bald jemand findet, war’s das. Aus dem Raum über mir schimmert fahler Lichtschein herab und ich kann undeutlich erkennen, dass ich in einem riesengroßen höhlenartigen Keller gelandet bin. Um mich her schwimmen Holztrümmer, nasse Federbündel und Möbelteile. Die Kleider hängen mir klatschnass und schwer am Leib und ziehen mich in die Tiefe. Ich bin erschöpft. Ich weiß nicht, wie lange ich mich noch über Wasser halten kann – ein paar Stunden vielleicht? Mein leises Jammern hallt von den Wänden wider. Von den Dielen über meinem Kopf tropft mir Wasser ins Gesicht. Ich bin total durchgefroren. Wir haben zwar August, aber mir kommt es vor, als sei ich ins Polarmeer gestürzt und unter der Eisdecke eingeschlossen. Nur |54| noch schlimmer, denn hier ist das Wasser auch noch dreckig und ich bin im Dunkeln. Wenn ich schon ertrinken muss, dann lieber irgendwo, wo es schön ist. Ich hätte nicht zu meiner Mutter fahren sollen. Kaum bin ich vierundzwanzig Stunden bei ihr, passiert mir so ein Scheiß! Gestern um die Zeit habe ich noch gepackt. Dad ist sauer auf mich geworden, weil ich so lange gebraucht habe, und ich war sauer auf ihn, weil ich ihm kein Wort geglaubt habe, als er mir erklärt hat, weshalb ich zu meiner Mutter muss.
    Meine Hand streift etwas Weiches, Glitschiges. Es stinkt bestialisch. Ein aufgedunsener Rattenkadaver stößt gegen mich und mir kommt es fast hoch. Ich klatsche mit der Hand aufs Wasser, damit das Vieh von mir wegschwimmt, aber es treibt jedes Mal wieder zurück. Der weiße, aufgeschwemmte, stinkende Schwanz schlägt mir ins Gesicht. Ich fege ihn mit der Hand weg und kämpfe gegen den Brechreiz an. Dann paddle ich wie eine Irre in Richtung der nächsten Wand und schiebe den im Wasser treibenden Müll mit den Ellbogen weg. Die Wand ist gemauert, man kann sich nirgends festhalten. Wie soll ich hier bloß wieder lebendig rauskommen? Ich muss in dieser Dunkelheit und Kälte zugrunde gehen. Immer wieder rufe ich um Hilfe, aber allmählich werde ich heiser. Hier findet mich sowieso niemand.
    Nein. Ich darf nicht kampflos aufgeben. Ich drehe mich auf den Rücken und paddle blindlings rückwärts, bis ich mit dem Kopf gegen einen im Wasser treibenden Balken |55| stoße. Der Balken ragt nur ein paar Zentimeter aus dem Wasser. Ich schlinge die Arme darum, das Holz trägt mich. Wieder überkommt mich ungeheure Erschöpfung. Ich versuche den Gedanken an den schwarzen Abgrund unter mir zu verdrängen. In der einen Wand erkenne ich einen gemauerten Türbogen. Ich klammere mich an meinem Balken fest, strample mit den Füßen und schwimme unter dem Bogen durch in die nächste finstere Höhle. Als ich den Kopf hebe, sehe ich, dass hier Licht durch ein Loch in der Decke dringt. Hoch, hoch über mir höre ich die Taube flattern.
    »Hilfe!«, rufe ich dem Vogel zu. »Hilfe!«
    Weitere Beinschläge befördern mich durchs trübe Halbdunkel. Scheiße – was ist das? Dicht vor mir schwimmt etwas Rundes, Graues. Es sieht aus wie ein Kopf! Man kann Hals und Schultern erkennen. Ich traue meinen Augen nicht, kann

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