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Verfolgt

Verfolgt

Titel: Verfolgt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ally Kennen
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aber auch nicht wegsehen. Das Ding treibt im Wasser   … dann sehe ich, dass es nur eine alte Schneiderpuppe ist. Ich paddle weiter, aber ich habe nicht mehr viel Hoffnung. Hier scheint es ein ganzes Labyrinth aus Kellern zu geben. Ich schwimme im Kreis und werde immer erschöpfter.
    »HILFE!«, schreie ich aus vollem Hals. Es klingt wie das schrille Kreischen einer Todesfee. Schwimmt da noch eine Ratte im Wasser? Nein, es ist nur ein Holzstück.
    Ich habe eine Scheißangst, dass ich ertrinken muss. Die Angst lähmt mich, ich würde am liebsten aufgeben. Da schießt mir der total abwegige Gedanke durch den Kopf, |56| dass ich auf dem einzigen Foto, das meine Mutter von mir besitzt, als Zehnjährige drauf bin, mit Pony und viel zu großen Schneidezähnen. Wenn sie mich jetzt als vermisst meldet, strahlen alle Fernsehsender dieses Bild aus.
    Vor Kälte schlotternd paddle ich weiter. Nein, ich gebe nicht auf. Jedenfalls jetzt noch nicht, obwohl die Vorstellung verlockend ist, mich einfach an meinem Balken festzuhalten, auf der Stelle zu treiben und in dem eiskalten Wasser ganz allmählich zu erfrieren.
    Etwas huscht über die Dielen über meinem Kopf. Staub und Schmutz rieseln mir ins Haar.
    »Hilfe!«, huste ich und sehe, wie sich in der hellen Öffnung über mir etwas bewegt. Ein Knurren dringt an meine halb erfrorenen Ohren. O nein!
    Die Hunde sind wieder da.
    »Dann holt mich doch!«, schreie ich. Daraufhin rasten die Viecher total aus und kläffen ohrenbetäubend. Vielleicht springen sie ja ins Wasser und ersaufen.
    Ich muss weiterschwimmen, einen Ausgang aus diesem Kellerlabyrinth suchen. Aber ich bin so müde, so todmüde   … Ich will nur noch schlafen und nie mehr aufwachen. Meine Beine sind gefühllos. Ich spüre gar nicht mehr, ob ich sie noch bewege. Ich halte mich nur noch an meinem Balken fest und auch das fällt mir immer schwerer. Ich habe Angst, dass ich mich bald nicht mehr festhalten kann. Dann sinke ich erst ins Bodenlose und treibe nach einer Weile eklig aufgedunsen wie die Ratte wieder an die Oberfläche. Die Kälte kriecht meinen Oberkörper hoch. |57| Bald hat sie mein Herz erreicht   … dann sterbe ich. Ich habe solche Angst, dass ich die Tränen nicht mehr zurückhalten kann. Sie laufen mir übers Gesicht. Ich kann mich nicht mehr zusammenreißen. Niemand kommt und holt mich hier raus. Es wird kein Wunder geschehen, Dad wird nicht plötzlich dort oben auftauchen. Und Owen auch nicht, der ist längst wieder heimgefahren. Einen Hausmeister gibt es hier nicht. Mit mir ist es aus und vorbei. Ich denke an Moz. Ich denke sogar an den blöden Chas. Schluchzend nehme ich alle Kraft zusammen, schlage mit den Beinen und paddle wieder in Richtung der nächsten Wand. Das veranlasst die Hunde zu noch wütenderem Gebell.
    »Schnauze!«, brülle ich zu ihnen hoch. Meine Hand streift kalte Ziegel. Ich taste mich an der Mauer entlang, suche einen Vorsprung oder etwas anderes zum Festhalten. Ich muss in Bewegung bleiben, auch wenn mir inzwischen alles wehtut. Ich habe mir die Unterarme an dem rauen Balken aufgeschürft und ich muss dringend aufs Klo. Ich nehme mich noch ein paar Minuten zusammen, dann erkenne ich, wie unsinnig das ist, und lasse es laufen. Als mir der Urin die Beine runterrinnt, wird mir dort einen Augenblick lang warm, ehe die Kälte wieder zuschlägt.
    Die Hunde sind verstummt. Sind sie weg? Ich hebe den Kopf. In der Öffnung zeichnet sich ein Umriss ab.
    Diesmal steht tatsächlich jemand dort oben.
    »Hilfe!«, schreie ich. »Hier unten! Hilfe!« Meine ganze |58| Angst klingt in dem Schrei mit. »Hier unten, hier unten!« Ich spüre neue Kraft in mir, als würde mein Körper wie ein abgesoffener Motor wieder anspringen und zu neuem Leben erwachen. Gleich holt mich jemand raus! Aber als ich wieder hinschaue, ist die Öffnung leer, der Umriss verschwunden.
    »KOMM ZURÜCK!«, jammere ich. Ich warte kurz ab, aber nichts rührt sich. Dann löst sich ein verzweifeltes Schluchzen. Krieg dich wieder ein, rede ich mir gut zu und beherrsche mich mühsam. Vom Hochschauen ist mein Nacken schmerzhaft verspannt. »HILFE!« Jetzt taucht ein Gesicht in der Öffnung auf. Augen funkeln hinter einem zottigen schwarzen Haarvorhang.
    »Okay«, sagt der Unbekannte. Dann verschwindet er wieder.
    Ich warte, trete keuchend Wasser. Die entmutigende Vorstellung plagt mich, dass es sich um einen Verrückten handelt, der sich hier verkrochen hat und mitnichten vorhat, mich zu retten. Er hat so verwahrlost

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