Verfolgt
bis Fuß mit Bodylotion eingecremt und mich geschminkt. Ich habe meine Klamotten für die ganze Woche gebügelt und mir selbst eine Blitzmaniküre verpasst. Ich habe mein Zimmer aufgeräumt und gesaugt. Und jetzt? Zu Hause in Bexton würde ich wahrscheinlich einkaufen gehen, was wir zum Abendessen brauchen, aber was ich koche, schmeckt meiner Mutter nicht, außerdem sind wir heute Abend sowieso nicht da und ich koche doch nicht für diesen fetten Affen, den meine Mutter unbedingt heiraten muss! Ich gehe nach unten und räume auch dort ein bisschen auf. In der Küche fällt mir Tysons Korb ins Auge. Seine Decken sind dreckig und voller Haare. Soll ich sie waschen? Lieber nicht. Womöglich kriegt meine Mutter die Aktion in den falschen Hals und denkt, ich will alle Spuren ihres Lieblings vernichten oder so.
Ich mache den Fernseher an. Im Lokalsender kommt ein Bericht über diese Nyasha Agruba, die zur selben Zeit im Krankenhaus war wie ich. Der Reporter steht vor einem Zaun aus dicken Gitterstäben, dahinter sieht man ein |95| hohes graues Gebäude, ein Untersuchungsgefängnis, wie sich herausstellt. Der Reporter erzählt grade, dass Nyasha vor ihrer Abschiebung mit ihrem Sohn hier untergebracht werden soll. Dann kommt ein Schnitt und man sieht ein Rathaus. Eine Menschenmenge hat sich davor versammelt, die Leute rufen etwas. Der Reporter stellt einigen von ihnen Fragen. Das Rathaus steht in Charlton, das ist der Nachbarort von Bewlea.
»Ich find’s richtig, dass sie zurückgeschickt wird«, sagt so eine alte Hexe. »Unser Land ist ohnehin überbevölkert.«
»Also ich bin dafür, dass sie hierbleiben darf«, widerspricht eine andere Oma. »Sie ist so eine reizende Person. Einer mehr macht doch keinen Unterschied.« Hey, das ist Emily! Sie benutzt immer noch diesen fürchterlichen rosa Lippenstift.
Ich sehe den Bericht zu Ende, dann mache ich den Fernseher aus. Den ganzen Vormittag glotzen ist echt deprimierend. Danach fühlt man sich wie ein Zombie. Außerdem werde ich dick, wenn ich den ganzen Tag auf meinem Hintern hocken bleibe. Wenn ich nur eine Freundin in diesem Scheißkaff hätte! Dann könnte ich sie jetzt anrufen und wir könnten uns irgendwo treffen. Mir fällt etwas ein und ich laufe die Treppe hoch ins Schlafzimmer meiner Mutter. Ich krame in ihrem Make-up, dann entdecke ich, was ich suche.
Draußen ist es fröstelig kühl. Wir haben Ende August, aber man könnte denken, der Winter steht vor der Tür. Brrr. Toller Sommer!
|96| Hope Street Nummer vier ist ein rosa Haus mit schwarz gestrichener Tür und schwarzen Fensterbänken. Im Vorgarten stehen lauter Gartenzwerge. Als ich die Gartenzwerge sehe, bleibe ich wie angewurzelt stehen. Planänderung. Ich werde wieder nach Hause gehen und mir die kaputten Spitzen schneiden. Aber als ich kehrtmache, höre ich jemanden hinter mir herrufen. Die Stimme kommt mir bekannt vor.
»Lex-ii! Hast du dich verlaufen?« Mir bleibt nichts anderes übrig, als stehen zu bleiben, mich langsam umzudrehen und gezwungen zu lächeln. Emily steht in der Tür und winkt. »Trau dich ruhig – komm rein!«, trällert sie und winkt mich die Vortreppe hoch und ins Haus. Drinnen riecht es muffig. Emily müsste mal lüften und den Teppich einschäumen. Auf der geblümten Tapete prangen scheußliche riesengroße Blumendrucke, was überhaupt nicht zusammenpasst. Auf dem Kaminsims steht zweimal die gleiche Vase mit Plastikblumen und der flauschige Teppich müsste dringend gesaugt werden. Ich sehe mich um, als könnte noch jemand kommen, obwohl ich auch nicht weiß, wer das sein sollte. Es ist nur so ein Gefühl, als ob hier noch jemand wohnen müsste.
»Nein, ich lebe allein«, sagt Emily, die meine Blicke bemerkt hat. »Möchtest du einen Tee?«
Wie erwartet, bringt sie den Tee in richtigen Tassen mit Untertassen, und wie erwartet, ist das Geschirr ein bisschen schmutzig, als hätte Emily nicht mit heißem Wasser abgewaschen. Es stehen ein paar Fotos herum, aber die |97| scheinen schon uralt zu sein. Das junge, ernst dreinblickende Paar sind wahrscheinlich Emilys Großeltern. Kinderfotos gibt es keine. Anscheinend hat sie keine Enkel. Bei meiner Oma hängen überall im Haus Kinderfotos, weil niemand weiß, was man ihr sonst zu Weihnachten schenken soll. Etwas Teures will keiner kaufen, weil sie ja sowieso bald stirbt. Ich nehme mir einen muffig aussehenden Keks und setze mich auf die Kante eines geblümten Ohrensessels.
»Ach, ist das schön, Besuch zu bekommen!« Emily lässt
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