Verfolgt
in der Halle sogar die Tür zum Hof. Ich gehe nur zögerlich hindurch. Zwar ist Kos gleich hinter mir, aber ich bin nicht scharf auf ein Wiedersehen mit meinen Freunden von neulich im Wald.
Als sie mich sehen, stellen alle Hunde die Ohren auf. Der Collie knurrt.
»Pst!«, macht Kos.
»Komm her, Tyson, sei ein Braver!«, rufe ich. Aber Tyson schaut mich noch nicht mal an, bleibt liegen und leckt sich die Pfoten.
»Würstchen, Tyson!«
Aber Tyson rührt sich nicht vom Fleck und ich traue mich wegen der anderen Hunde nicht an ihn heran. Ich stehe da, die Sonne knallt mir auf den Kopf, und weiß nicht, was ich machen soll. Da pfeift Kos so leise, dass |158| man es kaum hört. Tyson springt auf wie angestochen und kommt zu Kos gelaufen. Er streicht ihm um die Beine und leckt ihm die Hand. Dann legt er sich vor ihm hin und blickt schmachtend zu ihm auf. Ich bin Luft für ihn.
»Jetzt tu nicht so, Tyson! Komm mit nach Hause zu Frauchen.« Ich will ihn streicheln, da sieht er mich an und knurrt tief und drohend.
»Tyson?«
Das Knurren wird lauter. Es wird mir wohl nicht gelingen, ihn heute mitzunehmen. Ich brauche eine Leine, Leckerli und vielleicht muss sogar meine Mutter mitkommen.
»Du hast sie nicht mehr alle, Tyson«, sage ich und könnte schwören, dass er mich ganz kurz verdattert ansieht, aber dann knurrt er gleich wieder. Als hätte er völlig vergessen, wie es bei uns zu Hause war, dabei ist er gerade mal drei Wochen weg. Er ist jetzt ein fremder Hund. Allerdings war Tyson noch nie einfach. Er hat schon immer ein bisschen irre geguckt, Karomäntelchen hin oder her.
»Dann eben ein andermal.« Ich weiche einen Schritt zurück und drehe mich zu Kos um. »Morgen komme ich wieder her und bringe dir Würstchen mit. Kann ich vor der Arbeit kommen? Gegen zehn? Treffen wir uns wieder im Park?« Keine Ahnung, ob er mich versteht. Sein Englisch ist ziemlich schlecht.
Jedenfalls grinst er mich an. Ich habe so viele Fragen! Aus welchem Land er kommt und wie er hier eigentlich überleben kann, zum Beispiel. Aber er ist nicht gerade redselig.
|159| »Du musst mir meinen Hund wiedergeben, Kos.« Tyson läuft wieder zu den anderen Hunden. »Kann ich meine Mutter mit herbringen?«, frage ich. »Dann kannst du selber sehen, wie lieb sie Tyson hat.«
Aber Kos macht ein finsteres Gesicht und legt den Finger auf die Lippen. »Lexi, Kos, Hunde, ist geheim!«, sagt er. »Bitte.«
»Warum?«
Kos schaut weg. »Ich habe Feinde«, sagt er. »Böse Feinde.«
Wahrscheinlich meint er die Leute, bei denen er eingebrochen ist. Er ist im Dorf inzwischen berüchtigt. Viele Einwohner glauben zu wissen, dass sich hier in der Gegend ein krimineller Landstreicher herumtreibt. Kos muss auf der Hut sein.
»Warum wohnst du überhaupt hier?«, frage ich. »Warum wohnst du nicht in einem richtigen Haus und gehst arbeiten?«
»Pst, Lexi.« Kos legt mir den Finger auf die Lippen. Ich schiebe seine Hand behutsam weg. Ich lasse mir von niemandem den Mund verbieten.
»Du spielst gern den großen Geheimnisvollen, was?«, sage ich neckisch. Kos zuckt bloß die Achseln. Ich nehme nicht an, dass er mich verstanden hat.
»Bitte, Lexi.« Wieder sieht er mich unter seinen langen Wimpern hervor an. »Ich mich vor allen verstecken. Nur nicht vor dir.«
Eine Pause tritt ein und mir wird irgendwie flau im |160| Magen. Ich habe das Gefühl, dass mich der Typ auf eine ganz merkwürdige Weise anbaggert.
»Gut, ich verrate dich nicht«, sage ich. »Erst mal noch nicht. Trotzdem, Kos … wo sind deine Eltern?«
Kos klopft sich auf die Brust, dorthin, wo das Herz ist.
»Tot«, sagt er.
|161| KARNICKEL
»Hast du ihn denn gefunden?«, erkundigt sich Ella, als sie mit einem Tablett voller Servietten und sauberem Besteck an mir vorbei in Richtung Schwingtür eilt, um die Tische für den Abend einzudecken.
»Nein. War ’ne blöde Idee, noch mal hinzugehen. Ich weiß auch nicht, was da in mich gefahren ist.«
»Du hättest mit uns shoppen gehen sollen«, ruft sie über die Schulter und verschwindet in der Gaststube. Vielleicht hat sie recht. Ich weiß auch nicht, wohin das alles noch führen soll. Kos scheint obdachlos zu sein, er spricht kaum Englisch und ich wüsste nicht, wie er sein Leben wieder geregelt kriegen soll, solange er sich als Einbrecher und Dieb betätigt. Warum geht er nicht einfach zum Sozialamt und lässt sich helfen? Die könnten ihm bestimmt ein möbliertes Zimmer verschaffen. Dann könnte er sich Arbeit suchen, hätte es über
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