Verführ mich nur aus Liebe
wusste Silvia genau. Eine weitere Erinnerung daran, wie verschieden doch ihre Lebensumstände waren.
„Besten Dank“, erwiderte sie spöttisch.
„Dann kann ich unserer madrina also sagen, dass du mitkommst, Ella-Bella?“, fragte Silvia übereifrig.
Irgendetwas an Silvias Miene machte Ellie Sorgen. Doch sie konnte nicht ergründen, was es war. „Nur wenn du schwörst, mich nie wieder bei diesem dummen Namen zu nennen, Silly-Billy. Wir sind schließlich keine Kinder mehr“, gab sie zurück. „Und ich werde selbst anrufen. Fahren wir mit meinem Auto?“
Entsetzt starrte Silvia sie an. „In dem kleinen alten Fiat? Auf keinen Fall. Ich sorge dafür, dass Ernesto uns den Maserati samt Beppo als Chauffeur überlässt. Er hat ja noch den Lamborghini.“ Nach kurzem Zögern sagte sie spitz: „Oder er geht eben zu Fuß. Etwas Bewegung würde ihm guttun.“
„Armer Ernesto“, seufzte Ellie.
Und arme Ellie, fügte sie insgeheim hinzu, nachdem ihre Cousine gegangen war. Nur der Duft ihres ebenso exklusiven wie teuren Parfüms „Joy“, von Jean Patou hing noch in der Luft. Ellie wusste zwar, dass ihre Patentante sich sehr freuen würde. Trotzdem besuchte sie Lucrezia Damiano lieber, wenn ihr Gatte an irgendeiner Konferenz teilnahm. Gelegentlich gesellte sich dann auch Silvia dazu, aber das tat sie nicht immer.
Ellie überlegte. Warum war ihre Cousine so erpicht darauf, dass sie beide zusammen die Einladung annahmen? Immerhin waren die übrigen Gäste doch zumindest im mittleren Alter.
Nun hör schon auf, dir wegen nichts den Kopf zu zerbrechen, ermahnte Ellie sich. Schließlich handelte es sich nicht um eine große Verschwörung, sondern nur um ein Wochenende. Und dennoch konnte sie ihre dunklen Vorahnungen nicht verdrängen. Was führte Silvia bloß im Schilde?
2. KAPITEL
„ Carissima ! Wie schön, dass du gekommen bist!“ Lucrezia Damiano umarmte Ellie herzlich.
Ellie war sich nicht sicher, ob dieser Besuch wirklich ein Anlass zur Freude war. Während der Fahrt von Rom hierher hatte Silvia schweigend neben ihr auf dem Rücksitz im Maserati gesessen. Und dabei hatte ihre Cousine ständig mit finsterer Miene zum Seitenfenster hinausgestarrt.
Die Villa Rosa stammte ursprünglich aus der Renaissance. Im Lauf der Jahrhunderte war das Anwesen jedoch immer wieder erweitert worden – unter anderem um einen viereckigen Turm. Inzwischen wirkte es wie ein Bauwerk, das ganz harmonisch aus der malerischen Landschaft erwachsen war. Natürlich besaßen die Damianos in Rom ein viel eindrucksvolleres Haus. Aber Largossa war ihre ländliche Zuflucht, wohin sie sich so oft wie möglich an den Wochenenden zurückzogen.
Die Principessa empfing ihre Gäste im salotto. Liebevoll restaurierte Gobelins zierten die Wände des Salons. Ebenso elegante wie bequeme Sofas und Sessel luden zum Verweilen ein. Der offene Kamin war groß genug, um darin einen ganzen Ochsen zu grillen. Draußen schloss sich eine weitläufige Terrasse an, und durch die großen Fenster bot sich ein zauberhafter Ausblick auf das parkähnliche Anwesen. Auch der von schützenden Mauern umgebene Garten war zu sehen, in dem der Principe Cesare Damiano seine geliebten Rosen züchtete.
Ihr Gastgeber würde sich jedoch erst am folgenden Tag zu ihnen gesellen, wie Ellie von ihrer Patentante erfuhr.
„Der arme Cesare hat eine Konferenz in Genf. Wir werden heute also einen ganz zwanglosen Abend unter Freunden verbringen.“ Die Principessa wandte sich ihrer anderen Patentochter zu, die mit versteinerter Miene danebenstand. „ Ciao , meine liebe Silvia. Come stai ?“
„Danke, madrina, es geht mir gut.“ Silvia ließ sich lustlos von ihrer Patentante auf beide Wangen küssen, was Ellie aufmerksam registrierte.
Ihre Cousine sah überhaupt nicht gut aus. Im Gegenteil: Seit sie das Haus betreten hatten, wirkte sie auffällig angespannt. Außerdem war Ellie nicht entgangen, dass Silvia bei ihrer Ankunft fast verzweifelt die kiesbedeckte Auffahrt der Villa mit Blicken abgesucht hatte. Es war ihr so vorgekommen, als hätte ihre Cousine nach einem ganz bestimmten Wagen Ausschau gehalten.
„Und jetzt möchte ich euch mit meinen übrigen Gäste bekannt machen“, sagte Lucrezia Damiano und ging mit ihnen auf die sonnige Terrasse hinaus.
Unter einem Schatten spendenden Sonnenschirm saß eine zierliche ältere Dame. Sie war ganz in Schwarz gekleidet und trug das weiße Haar zu einem eleganten Knoten gesteckt. Angeregt unterhielt sie sich mit einer jüngeren,
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