Verführ mich undercover!
Kurz entschlossen fischte sie ihr Handy aus der Tasche und tippte Seths Nummer ein. Es klingelte dreimal, dann sprang der Anrufbeantworter an, und sie hinterließ eine kurze Nachricht.
In dem Moment, als sie das Telefon in die Tasche zurücklegte, hörte sie Schritte auf der Veranda. Melissa blickte aus dem Fenster und entdeckte Stephanie, einen tropfnassen weißen Stetson tief in die Stirn gezogen. Fröhlich winkte Jareds Schwester ihr durch die Scheibe zu.
Melissa seufzte. Darauf war sie nicht vorbereitet. Es war eine Sache, verdeckt zu recherchieren, aber die liebenswürdige Stephanie in die Irre zu führen war etwas ganz anderes.
Doch Stephanie hatte sie bereits entdeckt, und Melissa blieb nichts anderes übrig, als die Tür zu öffnen.
„Hi!“ Strahlend platzte Stephanie herein und sah sich rasch in der Hütte um.
Melissa erwiderte das Lächeln der jungen Frau, das einfach ansteckend wirkte.
„Habe ich es nicht gesagt?“, rief Stephanie. Sie stülpte ihren Hut über einen Haken an der Holzwand der Diele.
Ein heller Navajo-Teppich schmückte den Holzboden, und der Eingangsbereich nahm eine Ecke des kleinen Wohnzimmers ein. Der Rest des Raums war mit einer weinroten Couch, einem Ledersessel, einem kleinen Fernseher und zwei Tischchen mit elfenbeinfarbenen Lampen darauf ausgestattet.
Neben dem Wohnzimmer befand sich eine kleine Küche, und eine Tür an der hinteren Seite führte zu einem Schlafzimmer mit angrenzendem Bad.
Melissa musste zugeben, dass ihr das Messingbett und die frei stehende Badewanne sehr gefielen. Auch die beruhigenden Naturgeräusche hatten es ihr angetan. Die Eiche vor ihrem Schlafzimmerfenster raschelte im Abendwind, während im Hintergrund das gedämpfte Rauschen des Flusses zu hören war.
Seufzend trat sie einen Schritt zurück, um Stephanie in ihrem nassen Regenmantel auszuweichen. Doch sie würde sich ohnehin umziehen müssen.
Mit Jared am offenen Fenster zu stehen war … nun, es war sehr aufregend gewesen. Aber vor allem war es dumm. Und zwar nicht nur, weil sie am Ende in durchnässter Kleidung dagestanden hatte.
Stephanie schleuderte ihre Stiefel von sich. „Wissen Sie eigentlich, wann Jared das letzte Mal eine Frau zum Dinner zu uns eingeladen hat?“
Sofort versuchte Melissa, den Enthusiasmus der jungen Frau zu dämpfen. „Er hat mich nicht …“
„Noch nie“, rief Stephanie triumphierend, ohne Melissas Einwand zu beachten. „Er hat noch nie eine Frau zum Dinner mit nach Hause gebracht.“
„Das Reitzentrum ist nicht sein Zuhause“, wandte Melissa ein.
„Reine Formsache.“ Stephanie winkte wegwerfend.
„Nein. Tatsache.“
Jareds Schwester schmollte.
„Im Ernst, Stephanie. Übertreiben Sie es nicht. Jared und ich kennen uns kaum.“
Stephanie stieß einen übertriebenen Seufzer aus und ließ sich auf die Couch fallen. „Sind Sie immer so eine Spielverderberin?“
Melissa setzte sich wieder in den Sessel. „Ich bin immer so eine Realistin.“
„Und wo bleibt der Spaß dabei?“
„Auf lange Sicht erspart man sich viel Kummer.“
„Mit Enttäuschungen komme ich klar. Was mich fertigmacht, ist, beim Reiten nicht aus der Startmaschine zu kommen.“
Im Stillen räumte Melissa ein, dass diese Argumentation eine gewisse Logik hatte. „Es ist nur Dinner“, sagte sie zu Stephanie. „Und in ein paar Tagen bin ich weg.“
„Aber jetzt sind Sie hier.“ Stephanie zwinkerte ihr verschwörerisch zu. „Was werden Sie anziehen?“
Misstönend erklang der Klingelton von Melissas Handy aus der Tasche, die auf dem Boden lag.
„Darüber habe ich noch nicht nachgedacht“, bekannte sie. Melissa wusste, es war Seth, der da anrief. Auf keinen Fall konnte sie das Gespräch in Stephanies Gegenwart entgegennehmen.
Wieder klingelte es.
„Wollen Sie nicht rangehen?“ Stephanie sah sie auffordernd an.
Melissa schüttelte den Kopf. „Der Anruf wird auf die Mailbox umgeleitet.“
„Sicher? Von mir aus können Sie ruhig telefonieren, mich stört das nicht.“
Aber mich.
Noch ein schriller Klingelton.
„Nein, nicht nötig. Was meinen Sie, was soll ich anziehen?“ Tatsächlich hatte Melissa seit ihrer Ankunft auf der Ranch niemanden zu Gesicht bekommen, der etwas anderes als Jeans und Reitkleidung trug. Auch ihre eigene Garderobe war schlicht und auf das Nötigste beschränkt.
Wieder klingelte das verdammte Telefon.
„Wollen Sie wirklich nicht …“
„Nein, wirklich nicht.“ Melissa griff nach dem flachen Handy. Ein kurzer Blick auf das Display
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