Verfuehr mich
»Hallo.«
»Rodney?«
»Ja.«
»Hi, hier ist Bliss. Von unten. Sie hätten nicht zufällig ein paar Kohlebriketts übrig, oder?«
»Na klar. Reicht eine halbe Tüte? Himmel, ich klinge ja wie der reinste Drogenhändler.« Rodney kicherte lange und laut. »Bin sofort unten.«
Als Bliss ein paar Minuten später ein Klopfen an ihrer Tür hörte, betete sie, dass Rodney ihr nicht in gerüschter Unterwäsche gegenüberstehen oder ein Gespräch über die besten Geschäfte für High Heels in Größe fünfundvierzig beginnen würde.
Zu ihrer Erleichterung trug er Jeans und ein Muskelshirt. Ein »Hallo Kitty« -Muskelshirt. Sie nahm die Tüte Kohle entgegen und murmelte irgendwas wie »bin gerade beschäftigt. Sie wissen ja, wie das ist. Vielen Dank.«
Rodney verabschiedete sich und verschwand. Bliss ging sofort zur Balkontür, trat hinaus und schloss die Tür sofort wieder hinter sich, um die kostbare, kühle Luft in ihrer Wohnung nicht durch die draußen herrschende Hitze zu verjagen. Sie kniete sich hin und zog, von ein paar lethargischen Tauben beobachtet, den Grill hinter dem Fahrrad mit dem kaputten Reifen hervor.
Der Grill war nicht allzu sehr verrostet. Sie würde ihn mit Stahlwolle abschrubben, die Briketts mit ein bisschen Feuerzeugbenzin anzünden und das Lendensteak wie ein Profi grillen können. Sie schüttelte die Dose mit dem Benzin. Ein bisschen war noch drin.
Dass sie noch nie in ihrem Leben etwas gegrillt hatte, beunruhigte sie in keiner Weise. Nur weil ihr Vater niemals erlaubt hatte, dass sich jemand seinem 700-Dollar-Grill mit Gasbetrieb – einer professionellen Roaster Boaster Machine mit langen, glänzenden Barbecue-Waffen behängt – auch nur näherte, ließ keine Rückschlüsse auf ihre Grillkünste zu.
Bliss legte die Briketts wie kleine schwarze Kissen auf einem Totenbett aus und schüttete den Rest Feuerzeugbenzin darüber. Dass sie den Rost eigentlich noch abschrubben wollte, hatte sie bereits vergessen.
Die Hitze oben im sonnenbeschienenen zehnten Stock war unerträglich. Feuer macht man mit Feuer , sagte sie leicht benebelt zu sich selbst. Bliss sah sich nach einer Schachtel Streichhölzer oder einem Feuerzeug um und entdeckte in einem leeren Blumentopf schließlich einen roten Gasanzünder. Sie nahm ihn heraus, hielt ihn an die Briketts und drückte ein paarmal drauf, bis endlich eine zitternde blaue Flamme aus dem Anzünder schoss. Sie hielt nur ein paar Sekunden vor, aber das reichte, um das Feuerzeugbenzin in Brand zu setzen.
Bliss lehnte sich zurück. »Am Anfang war das Feuer – bei der Frau«, entfuhr es ihr voller Stolz. Bis jetzt lief es gar nicht so schlecht. Aber um unter die Dusche zu springen und in der Zwischenzeit das Feuer unbewacht zu lassen, dazu war sie dann doch zu nervös.
Jaz müsste sie eben einfach nehmen, wie sie war – mit verschmiertem Augen-Make-up, verschwitzter Haut, gekräuseltem Haar und allem. Sie stand auf und schob die Gegenstände etwas beiseite, die neben dem Grill standen. Nur für den Fall.
Die Briketts schienen ihre Aufgabe zu erfüllen. Sie schaute durch die von Feuchtigkeitsschlieren bedeckte Glastür, um nach der Zeit zu sehen. Jaz würde in zwanzig Minuten kommen. Also konnte sie in ungefähr fünfzehn Minuten die Steaks auf den Grill legen und von der kühlen Wohnung aus aufpassen, dass nichts passierte.
Bliss öffnete die Tür gerade weit genug, um sich durchzuzwängen und schloss sie sofort wieder. Dann ging sie in die Küche, öffnete die Mikrowelle, legte die Kartoffeln hinein und stellte die Uhr ein. Es blieb noch ein bisschen Zeit zum Aufräumen. Sie stopfte ein paar alte Zeitungen in eine Papiertüte und legte sie unter die Ausziehcouch. Dann verpasste sie noch jedem Kissen einen kleinen Schlag mit der Handkante, um ihnen genau den Frischer-Handkantenschlag-Look zu geben, der in der Inneneinrichtungswelt der letzte Schrei war.
Mit einem Spray nahm sie dann den Badezimmerfußboden in Angriff. Als sie damit fertig war und einen Blick in den Spiegel warf, blieb ihr fast das Herz stehen. Ihr Gesicht hatte die Farbe einer Leuchtboje und die herunterhängenden Haarsträhnen waren auch alles andere als sexy.
Bliss rannte zu der Balkontür, um nach dem Grill zu sehen. Er sah zwar nicht aus, als ob er jeden Moment explodieren würde, aber man konnte ja nie wissen. Keine Dusche! , sagte sie sich streng und legte ein paar kleine, zusammengelegte Handtücher auf den Rand des Waschbeckens.
Wieder im Wohnzimmer angekommen, sah sie sich
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